Er will Macht für die Gelehrten

Muktada al-Sadrs Ideologie speist sich aus irakischem Nationalismus und schiitischem Radikalismus. Seine Miliz bekämpft die US-amerikanischen Besatzer mit Gewalt

Was er eigentlich genau will, weiß keiner. Der schiitische Prediger Muktada al-Sadr gibt sich mal kompromisslos, mal deutet er Verhandlungsbereitschaft an. Seine Ideologie speist sich aus irakischem Nationalismus und schiitischem Radikalismus. Al-Sadr, dessen Alter auf etwa dreißig Jahre geschätzt wird, zitiert gerne den iranischen Ajatollah Kasim al-Haeri, der für sein striktes Eintreten für die Velayat-e Faqih, die Herrschaft der religiösen Rechtsgelehrten, bekannt ist.

Da er nicht den Status eines Gelehrten hat, ist es ihm nicht erlaubt, den Koran und andere religiöse Quellen zu interpretieren. Er gehört auch nicht zu den Führern der Hausa, die als höchste Autorität über die irakischen Schiiten – etwa 60 Prozent der Bevölkerung – wacht.

Al-Sadr stammt aus einer bekannten Familie von Geistlichen. Sein Vater und dessen Onkel waren beide Großajatollahs und wurden vermutlich von Saddam Husseins Schergen umgebracht. Nach ihnen wurde das schiitische Armenviertel in Bagdad benannt, dass seit dem Sturz des Diktators Sadr-City heißt. Mit der Übernahme von Moscheen, Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen baute er seine Machtbasis systematisch aus. Hier hat er eine seiner Hochburgen.

Im Juni vergangenen Jahres gründete er seine Miliz, die Mahdi-Armee, die sich seit Tagen in Nadschaf mit den Amerikanern Gefechte liefert. Wie viele Mitglieder diese Miliz hat, ist nicht bekannt. Schätzungen gehen von einigen tausend Mann aus. Al-Sadr setzt seine Schlägertrupps auch gegen Alkoholgeschäfte und gelegentlich gegen schiitische Widersacher ein.

Al-Sadr gilt als dickköpfig und nervös; seine Reden zeichnen sich eher durch einfache Parolen aus als durch eine feine Ausdrucksweise aus. Wegen seines Alters, seiner mangelnden theologischen Qualifikation und seiner US-feindlichen, religiös verbrämten Parolen sehen manche Beobachter in ihm eher einen politischen als einen religiösen Führer. Zu den Kriegszielen der USA sagte er einmal: „Die USA sind nicht nur gekommen, um Saddam zu stürzen oder unser Öl zu nehmen. Sie kamen mit der Absicht, die ganze kulturelle, moralische und humanitäre Struktur der irakischen Zivilisation zu zerstören und sie durch eine Struktur zu ersetzen, die Dornen, Moos und eine besiegte Nation hervorbringt.“ In seinen Predigten müssen die Anwesenden ihm dreimal „Nein, nein zu Israel, nein, nein zu Amerika, nein, nein zu Terrorismus“ nachsprechen. B.S.