Konzentration auf Kanada

Zum Auftakt der vierten Fußball-Weltmeisterschaft wartet auf die DFB-Frauen heute bereits der allergrößte Stolperstein auf dem Weg zum fest eingeplanten Gruppensieg

COLUMBUS taz ■ Manchmal genügt ein kurzer Blick auf die Weltrangliste und alles scheint geklärt. Auf Rang 2 wird dort die deutsche Fußball-Nationalfrauschaft geführt, auf dem 12. Platz die aus Kanada. Die DFB-Frauen gehen am heutigen Samstag (23.45 Uhr, live in der ARD) also als haushoher Favorit in ihr erstes Spiel dieser 4. WM, alles andere als ein Sieg in Columbus, Ohio, käme einer Überraschung gleich. Mehr noch: Weil die Kanadierinnen formal noch als der härteste Brocken gewertet werden müssen, während die weiteren Gruppengegner Japan (Mittwoch) und Argentinien (übernächsten Sonntag) doch eher unter die Rubrik Kanonenfutter fallen dürften, ist es noch nicht einmal sonderlich verwegen, wenn DFB-Cheftrainerin Tina Theune-Meyer das erste Ziel der deutschen Mannschaft forsch formuliert: „Wir wollen als Gruppensieger ins Viertelfinale.“

Auf die leichte Schulter nehmen aber wollen die deutschen Kickerinnen ihren Auftaktgegner nicht. „Alle Konzentration liegt auf diesem Spiel“, sagt Theune-Meyer, ein Fakt, den die Kanadierinnen durch 9 Siege in ihren letzten 10 Testspielen unterstrichen haben. Der Erfolg der Ahornblätter kommt nicht von ungefähr: Unter dem norwegischen Chefcoach Even Pellerud ist das Team mittlerweile in der Lage, jedem Gegner Paroli zu bieten. Pellerud wurde mit Norwegen Weltmeister 1995 und holte im Jahr darauf Olympiabronze. Solche Erfolge sind auch das Ziel der Kanadierinnen – auf gutem Weg dorthin scheinen sie: Letzten Sommer wurde die kanadische U19-Mannschaft Vizeweltmeister, auch im aktuellen WM-Team stehen sechs Spielerinnen, die eigentlich noch Juniorinnen sind, unter ihnen auch Christine Sinclair aus Vancouver, mit 40 Toren in bisher 51 Länderspielen der Sturmstar des Teams. „Wir haben einen starken Kader mit einer ausgewogenen Mischung aus jungen und erfahrenen Spielerinnen, den ich für verschiedene Systeme problemlos umstellen kann“, nennt Pellerud die Vorzüge seiner Mannschaft.

So ist Kanada ob seiner offensiven Spielweise mittlerweile fast schon gefürchtet. Personifiziert wird dieser Stil durch die 35-jährige Spielführerin Charmaine Hooper. Die farbige Stürmerin erzielte in ihren 101 Länderspielen 58 Tore und ist die Führungsperson im Team. „Die ist kreuzgefährlich“, weiß Conny Pohlers, Stürmerkollegin von Hooper bei Atlanta Beat: „eine, die mit allen Wassern gewaschen ist“. Auch Trainer Pellerud kann seinen verlängerten Arm auf dem Spielfeld nur loben: „Diese Frau ist so fit, dass sie auch noch bis Olympia 2008 in Peking spielen kann, notfalls als Libero.“

Dabei scheint die Nachfolgerin schon parat zu stehen. Die heißt Kara Lang, ist 16 Jahre alt, stammt aus Vancouver und gilt Kennern als Jahrhunderttalent, was sich schon an ihrer Treffsicherheit ablesen lässt: Allein in den beiden Testspielen gegen Mexiko hat sie 7 Tore erzielt. Die deutschen Frauen sind also gewarnt – und sollten sich nicht von der Weltrangliste blenden lassen. RAINER HENNIES