Den Schläger beim Namen nennen

taz gewinnt Verfahren gegen einen gewalttätigen Nationalsozialisten

Am 13. März 2004 schlug ein 19-jähriger Aktivist der Jugendorganisation der NPD (JN) anlässlich einer Demonstration in Rotenburg/Wümme einen Mann mit einem etwa zwei Meter langen Kantholz nieder und verletzte ihn schwer. Die taz berichtete über den Vorfall unter Namensnennung des Nazi-Schlägers, der von der anwesenden Polizei nicht sofort verhaftet und nach einer verspäteten Verhaftung sogleich wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.

Die Berichterstattung wurde der taz vom Landgericht Göttingen auf Antrag des Nazi-Schlägers verboten, weil angeblich dessen Persönlichkeitsrechte durch die Namensnennung verletzt würden. In der Widerspruchsverhandlung am 7. Juni weigerte sich das Landgericht Göttingen, eine Filmsequenz, die den brutalen Angriff des Faschisten auf das unbeteiligte Opfer wiedergab, auch nur zur Kenntnis zu nehmen, und bestätigte das Verbot.

Die taz berichtete ihrerseits über diesen Prozess („Der Täter ohne Eigennamen“ am 8. Juni 2004) und zeigte die Filmsequenz in Standbildern. Gegen diese Veröffentlichung ging seinerseits der Nazi wieder vor und begehrte Armenrecht des Staates für ein erneutes Verfahren, um auch für diesen Bildbericht ein weiteres gerichtliches Verbot zu erwirken.

Das Oberlandesgericht Braunschweig wies dieses Begehren mit Beschluss vom 30. Juni 2004 zurück:

„Er [der Nazi-Schläger; d. Red.] ist […] durch die von ihm öffentlich begangene Tätlichkeit […] mit unübersehbar zeitgeschichtlichem Bezug zu einer auf diesen zeitlich und thematischen Zusammenhang bezogenen Person der Zeitgeschichte geworden, sodass er sich aus diesem Grunde […] eine bildliche Wiedergabe seines gewalttätigen Verhaltens in der Presse gefallen lassen muss. Soweit der Antragsteller geltend macht, der abgebildeten Tätlichkeit […] fehle die für eine Veröffentlichungsbefugnis erforderliche Tatschwere, ist darauf hinzuweisen, dass dies Anforderungen sind, die für Berichte über in der Vergangenheit liegende Straftaten […] gelten. Vorliegend ist der Antragsteller dagegen bei einer Tat abgelichtet worden, die er unter den Augen einer breiten Öffentlichkeit anlässlich eines Ereignisses begangen hat, das seine Aktualität nach wie vor nicht eingebüßt hat. […] Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihn die angegriffene Verbreitung der Bildserie in seinen berechtigten Interessen verletzt. Wer derart vor den Augen der Öffentlichkeit agiert […], muss es sich gefallen lassen, […] vor der an der Berichterstattung über dieses Ereignis interessierten Öffentlichkeit wiedergegeben zu werden.“

JOHNNY EISENBERG

Johnny Eisenberg ist Anwalt der taz