Zerbröselnde Egos

Die härtesten Therapiesitzungen der Welt: ein Kinofilm über die Seelenarbeit der Bandmitglieder von Metallica

Die Montage ist entlarvend: Joe Berlingers und Bruce Sinofskys verblüffendes Doku-Drama „Metallica – Some Kind of Monster“ lässt die Kamera im Helikopter über ausverkaufte Metallica-Konzerte fliegen; auf gigantischen Bühnen drohen sich die vier Musiker zwischen Bass- und Scheinwerfertürmen fast zu verlieren. Kontrastiert wird dies mit den intimen, peinigenden Therapiesitzungen, die die Arbeit an Metallicas letztem Studioalbum „St. Anger“ begleitet haben. Dieses monsterähnliche Ding namens Metallica, eine der erfolgreichsten Rockbands aller Zeiten, ist den Mitgliedern nach fast zwei Jahrzehnten exzessiven Rock-'n'-Roll-Daseins gehörig außer Kontrolle geraten.

„Metallica – Some Kind of Monster“ dokumentiert die Hybris einer Band, die längst größer als die Summe ihrer einzelnen Mitglieder ist. Wie ein Rocksaurier ist sie an einem Punkt angekommen, an dem sie nicht mehr selbstständig lebensfähig ist. Sie nährt sich nur noch von ihren Wirten: aufgeblasenen Musiker-Egos und dem vampirhaften Marketing-Apparat, der die Band dazu verdonnert, schwachsinnige Werbeslogans einzusprechen. Und was macht ein Multimillionen-Dollar-Rockstar-Konzern, wenn er sich am Gipfelpunkt von Karriere und Selbstzweifeln angekommen glaubt? Er gibt eine Dokumentation in Auftrag, die den eigenen Selbstfindungsprozess als Rockhistorie verewigen soll.

„Metallica – Some Kind of Monster“ hätte leicht ein langweiliges Behind-the-Scenes-Rockumentary werden können. Doch Berlingers und Sinofskys Filmprojekt entwickelt sich schnell selbst zu einem unkontrollierbaren Monster. Scharfe Kontraste – wie frühe Aufnahmen Hetfields als prolligem Frontmann einerseits und andererseits Hetfield heute mit Studentenbrille in der Gruppentherapie – sind nur Facetten von Metallicas Tragödie. Aber sie relativieren das Grundthema von „Some Kind of Monster“ – jammernde Millionäre, die 40.000 Dollar im Monat für den Bandpsychiater hinblättern – im nötigen Maße. In lichten Momenten verfügen James Hetfield, Kirk Hammett und Lars Ulrich selbst sogar noch über genügend Klarheit, um sich der Obszonität des Unterfangens bewusst zu werden. Mitten im Film verschwindet Hetfield plötzlich ohne Kommentar in die Reha und lässt eine ratlose Band und ihren Therapeuten zurück.

Berlinger und Sinofsky sind große Fans der Band; sie müssen nicht mehr tun, als zu beobachten, wie die labilen Egos der Bandmitglieder zerbröckeln. „Some Kind of Monster“ wirft noch einmal die essenziellen Themen großer Rock-Dokumentationen auf: die Unmöglichkeit als Rockband in Würde zu altern, die eigene Korrumpierbarkeit, den Sinn und Schwachsinn von Sex, Drugs & R 'n' R. Doch selten war man den Protagonisten dabei so nah. Man sieht zum Beispiel, wie Hetfield seiner Band nach seiner neunmonatigen Einzelbehandlung einen genauen Tagesplan aufdrücken will (sein Arbeitstag muss, laut Arzt, um 16 Uhr enden), worauf Ulrich, der schlimmste Kindskopf der Band, ihn anbrüllt, dass das hier verdammt noch mal Rock 'n' Roll sei – und der kenne keine Regeln.

„Some Kind of Monster“ evoziert eine Leere, die sich mit dem stählernen Trashmetal-Sound Metallicas glänzend füllen lässt. Am Ende des Films hat Lars Ulrich als symbolisch letzten Schritt seine millionenschwere Kunstsammlung verkauft, um einen Schlussstrich zu ziehen. Die Zäsur hat Opfer gekostet, neben anderen den Star-Therapeuten, der sich schon als festes Bandmitglied wähnte. Schließlich hat man einen Ruf als härteste Band der Welt zu verteidigen. Doch nicht nur in diesem Punkt muss nach „Some Kind of Monster“ eine Korrektur vorgenommen werden. ANDREAS BUSCHE

„Metallica – Some Kind of Monster“. Regie: Joe Berlinger, Bruce Sinofsky. USA 2004, 120 Min.