Friedhofsunruhe

Die Pseudoveganer-WG

In dieser grauen Jahreszeit bin ich immer auf der Suche nach einem Ort der Entspannung. Gestern sah ich ein Schild in Prenzlauer Berg, das mich hat stutzen lassen: „Sonnenbräune ohne Urlaub“, stand dort am Schaufenster eines Sonnenstudios an der Schönhauser Allee. Eigentlich könnte man denken, dass die Mehrheit Urlaub ohne Sonnenbräune bevorzugen würde. Ich zumindest würde das.

Das erinnert mich an die nette Wohngemeinschaft in der Hermannstraße, in der ich mal gewohnt habe. Gegenüber von unserem Haus gab es einen Friedhofsblumenladen, spezialisiert auf Trauergestecke. „Für Gute Laune, zum Aufwärmen“, stand auf der Scheibe.

„Go vegan – Werdet Veganer!“, war dagegen fett an unsere Haustür geschrieben worden, und nebenan konnte man den Döner zum Eröffnungsangebot für einen Euro kaufen. Ich hatte meine Mitbewohner im Verdacht, den Spruch nächtens dort hingesprüht zu haben. Von der Wohnung gehen zwei große Balkone nach vorn zur Straße raus. Das ist sehr laut. „Daran gewöhnt man sich“, haben die Mitbewohner gesagt, als ich einzog. Nicht aber an den Geruch, der vom Dönerladen zu uns aufstieg. Jeden Morgen weckte uns sanft der Duft des verbrannten Fetts. Mit „Go vegan“ haben wir uns immer beim Frühstück begrüßt.

Das Haus war umgeben von Friedhöfen. Friedlich war es wegen der Straße trotzdem nicht, und als ich auf einem morgendlichen Spaziergang Entspannung suchte auf einem dieser Friedhöfe, stieß ich auf ein Schild, das auf einem Grab steckte: „Ruhezeit abgelaufen“ stand dort geschrieben und „Familienangehörige bei der Friedhofsverwaltung melden“. Ich blieb nicht lange in der netten WG in der Hermannstraße. MAREIKE BARMEYER