Schröder, Chirac, Blair finden Sprache wieder

Wenn auch der Irakkrieg noch zwischen ihnen steht: In der Wirtschaftspolitik sind die drei wieder Freunde

BERLIN taz ■ Die kontinentalen Freundschaften des britischen Premiers Tony Blair sind brüchig geworden, seit er an der Seite von US-Präsident George Bush in den Krieg gegen Irak gezogen ist.

Mit den wichtigen Partnern Deutschland und Frankreich muss Blair wieder eine gemeinsame Sprache finden, will er Resteuropa nicht weiter vergrätzen. In der Irakpolitik ist das noch schwer, wie der Dreiergipfel in Berlin am Wochenende gezeigt hat. In der Wirtschaftspolitik aber sitzen alle im selben Boot. Die Konjunktur stagniert das dritte Jahr in Folge. Schröder, Blair und Chirac wollen mit Investitionen dem Aufschwung auf die Sprünge helfen, also mehr Schulden machen. Im Weg sind nur die inzwischen auch in Großbritannien wachsenden Haushaltsdefizite.

Blair hat sich deshalb dem deutsch-französischen Wachstumspakt angeschlossen. Der ist konkret genug, dass es für einen symbolischen Händedruck der drei und einen gemeinsamen Brief an den Präsidenten der Europäischen Kommission, Romani Prodi, reicht. Das ist insofern ungewöhnlich, als das euroferne Großbritannien bislang stets seine wirtschaftspolitische Unabhängigkeit in den Vordergrund gestellt hat.

Sehr einverstanden dürfte Blair auch mit der deutsch-französischen Kritik an der europäischen Chemikalienpolitik gewesen sein. Das Eiland gehört zwar nicht zu den wichtigsten Chemie-Nationen der Welt: In wirtschaftlich schlechten Zeiten ist jeder Industriezweig wichtig. Und die Europäische Kommission schickt sich nach Ansicht der drei Staatschefs an, den Chemieherstellern im EU-Raum das Totenglöckchen zu läuten.

In dem gemeinsamen Brief an Prodi fordern die drei, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Chemieindustrie „nicht zu gefährden“. Der im Mai von Umweltkommissarin Margot Wallström vorgelegte Entwurf sieht eine Überprüfung von 30.000 Altstoffen vor, die vor 1981 auf den Markt gekommen sind. Die aufgeschreckte chemische Industrie sieht eine genickbrechende Kostenlawine auf sich zurollen.

Zwar ist die chemische Industrie bei weitem nicht die wichtigste Branche in den drei Ländern. Doch Großbritannien, Deutschland und Frankreich geht es darum, ihre Interessen als Industriestaaten auch in einer durch diverse Agrarländer erweiterten EU durchsetzen zu können. Das Chemikaliengesetz bildet da nur den Auftakt einer neuen gemeinsamen Industriepolitik der drei europäischen Kernländer. THORSTEN DENKLER