Weißes Haus entdeckt die Realität

Ein Bericht der US-Regierung erkennt den Klimawandel als Tatsache an: CO2 aus Menschenhand „einzig wahrscheinliche Erklärung“. Bush gibt sich weiter ahnungslos

WASHINGTON taz ■ In der US-Regierung deutet sich leise eine überraschende Kehrtwende in der Haltung zum Klimawandel an. In einem Forschungsbericht an den Kongress wird nunmehr offiziell anerkannt, dass Kohlendioxid und andere Treibhausgase für die Erwärmung des Erdklimas verantwortlich sind. Treibhausgase seien die „einzig wahrscheinliche Erklärung für die globale Erderwärmung in den vergangenen drei Jahrzehnten“, heißt es in dem Bericht.

Der Regierungsreport kommt nach Angaben der New York Times vom Donnerstag zu dem Ergebnis, dass die Verantwortung der Treibhausgase für die Erwärmung durch „die bestmöglichen wissenschaftlichen Informationen“ bestätigt wird. Jüngste Analysen des Nationalen Zentrums für Atmosphärische Forschung in Boulder im Bundesstaat Colorado hätten zu dem Ergebnis geführt, dass für die Erderwärmung von 1900 bis 1950 natürliche Veränderungen in der Sonnenstrahlung und andere Faktoren verantwortlich seien. Allerdings könne damit nicht mehr der starke und anhaltende Temperaturanstieg seit 1970 erklärt werden.

Das Weiße Haus hat zu den neuen Erkenntnissen der Wissenschaftler bislang keine offizielle Stellungnahme abgegeben. Präsident Bush, der am Donnerstag von einem Reporter der New York Times auf den Bericht hin gefragt wurde, warum seine Regierung ihre Haltung geändert habe, gab sich unwissend und antwortete: „Ah, haben wir das? Ich glaube nicht.“

Bush hatte seine Ablehnung von verbindlichen Reduktionen klimaschädlicher Treibhausgase stets damit begründet, dass die Ursachen und Konsequenzen der Erderwärmung noch längst nicht hinreichend erforscht seien. Zudem hat er immer bestritten, dass menschliches Handeln für den Klimawandel verantwortlich sei. Daher erklärte er nach seinem Amtsantritt den Ausstieg Amerikas aus dem Kioto-Protokoll zum internationalen Klimaschutz und forderte stattdessen weitere wissenschaftliche Beweise.

Die liegen nun vor. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass Bush die Arbeit der eigenen Forscher ignoriert. Als Regierungsstellen im Sommer 2002 in einem Bericht an die UNO bereits vor den Risiken des Klimawandels warnten, distanzierte er sich rasch von dem Papier. Auch eine Studie des Pentagons vom vergangenen Herbst machte keinen Eindruck auf ihn. Die Militärs hatten die Bilanz gezogen, dass es genügend Hinweise auf die Erwärmung der Erdatmosphäre noch in diesem Jahrhundert gebe. Dann hatten sie die Konsequenzen des Klimawandels für die nationale Sicherheit skizziert – immerhin ein Schlüsselthema von Bushs Regierungspolitik.

Zwar ist dem aktuellen Bericht ein Schreiben von Bushs Energie- und Wirtschaftsminister sowie seiner Wissenschaftsberater beigefügt, doch selbst der zuständige Direktor der staatlichen Klimaforschungsprogramme, James Mahoney, warnte vor überzogenen Erwartungen. Der Report stelle keine abschließende Regierungsmeinung dar. MICHAEL STRECK