: Wer glänzen will, muss streichen
Filmriss: Im kommenden Jahr muss fast die Hälfte der niedersächsischen Kino-Festivals schließen – weil die Nordmedia ihnen keine Förderung mehr bewilligt. Offizielle Begründung ist der vermeintliche Mangel an „Profilschärfe“. Die allerdings erweist sich als ein ausgesprochen dehnbarer Begriff
aus OsnabrückJan Grundmann
Doch plötzlich kam das Aus. Noch bis in die 80er-Jahre war’s heiß hergegangen im Club „Hacienda“ in Manchester: Wilde Partys, Karrierestarts für Bands wie Sex Pistols oder New Order. „24 Hour Party People“ ist eine Hommage an diese schräge Episode der britischen Pop-Geschichte. Das Unabhängige FilmFest Osnabrück zeigt den Streifen Anfang Oktober und blickt damit wohl in die eigene Zukunft: Das 18. FilmFest wird wohl das letzte sein. Das Ende kommt ebenso brüsk wie 1992 das fürs „Hacienda“. Die Filmförderungsanstalt „Nordmedia“ dreht auch hier den Geldhahn zu.
Insgesamt sieben Filmfestivals in Niedersachsen müssen im kommenden Jahr schließen. Grund ist die neue Förderpolitik – die Förderkriterien wurden im vergangenen Jahr überarbeitet, heißt es. Doch die Vergabe-Entscheidungen seien hinter verschlossenen Türen getroffen worden, kritisiert die Opposition im niedersächsischen Landtag.
Seit 1986 wird das Osnabrücker Filmfest ausgetragen, 3.500 Zuschauer kamen im vergangenem Jahr. Die Nordmedia schießt jährlich 55.000 Euro zu. Das entspreche etwa 40 Prozent des Gesamtbudgets, so FilmFest-Pressesprecher Holger Trepe. Ein Verlust der Förderung hätte drastische Kürzungen am Programm zur Folge – „aber auf den Stand von vor fünf Jahren wollen wir nicht zurückfallen“. Ergo müsse man dichtmachen.
Noch düsterer sieht’s für die Oldenburger Filmtage aus: Die Hälfte des Budgets komme von Nordmedia, so Christoph Reiffert fürs Festival-Team. Das sind rund 25.000 Euro. „Wir haben schon definitiv mit den Filmtagen abgeschlossen.“ Gestrichen werden auch der Verdener Filmsalat, die Uelzener Filmtage, das Hildesheimer Kurzfilmfestival Best Before sowie das Ethnografische Film Festival Göttingen. Zudem soll der Niedersächsiche Kinderfilmtag mit dem Sehpferdchen-Kinderfilmfest Hannover zusammengelegt werden.
Bleiben immer noch zehn. „Niedersachsen hatte zu viele Filmfestivals“, sagt Jochen Coldewey, Chef der Nordmedia-Förderabteilung. Reiffert hingegen vermutet eine politischen Hintergrund: „Die Nordmedia will eine Umverteilung hin zu großen, publikumsstarken Festivals“. Das sei reine Wirtschaftsförderung.
Rückendeckung für die Streichungen kommt dagegen vom Nordmedia-Finanzier: Das ist die niedersächsische Staatskanzlei. Presseprecher Volker Wenke: „Es ist eine sinnvolle Straffung, um Schwerpunkte zu ermöglichen“. Welche Schwerpunkte, könne er nicht sagen. Da sei der Kanzlei-Beauftragte für Medienförderung zuständig. Der jedoch ist urlaubsabwesend. Und sein Vertreter bekennt freimütig seine Inkompetenz. Vielleicht wäre es ja möglich, die Fragen auf dem Postweg einzureichen?
Die Nordmedia GmbH gibt es seit Anfang 2001. Ihre Aufgabe: die Medienwirtschaft von Niedersachsen und Bremen zu stärken. An Filmfestivals schüttete die Gesellschaft im vergangenen Jahr rund 560.000 Euro aus, dazu kamen noch 140.000 Euro vom Europäischen Fond für regionale Entwicklung. Insgesamt also 700.000 Euro. Ein Beitrag zu Niedersachsens Sparkurs wird durch die Streichungen jedoch aller Voraussicht nach nicht geleistet: Kürzungen am Nordmedia-Etat seien nicht vorgesehen, heißt es. Nur wird der gleiche Geldberg künftig eben auf 10 verteilt, statt auf 17.
Im vergangenen Winter hatte die Nordmedia alle Festivals überprüft, um eine Grundlage für künftige Förderanträge zu erhalten. Parameter wurden erstellt, Experteninterviews geführt, ein Kurzbericht erstellt. Ergebnis: Das Osnabrücker Filmfest leide an einer „Unschärfe des Profils“, ebenso wie die Oldenburger Filmtage.
Schwer nachvollziehbar: Haben letztere nicht einen jährlich wechselnden Themenschwerpunkt, meist dem Problemfeld Flüchtlinge und Dritte Welt entnommen? Genau das sei es ja, argumentiert Coldewey: Bei ständig wechselndem Motto könne kein scharfes Konzept entstehen. Beim Konkurrenz-Spektakel „Filmfest Oldenburg“ läuft thematisch so ziemlich alles, viel aus den USA, manches auch aus Europa – hauptsächlich Independent-Stoffe. Groß allerdings sind Glamour-Faktor und Medienresonanz: Wäre das ein Profil? Den Förderern zumindest genügt’s: 90.000 Euro bekommt das Fest. Auch 2004.
Den Vorwurf, kein klares Konzept zu haben, weisen auch die Osnabrücker Festivalbetreiber zurück: In der Tat setzt das Programm zwei klare Schwerpunkte: Frieden und Kinderrecht. „Für uns“, so Pressesprecher Tepe, „ist das Profil genug.“
Nordmedia-Förderchef Coldewey hält dem entgegen, „die Experten“ hätten schließlich „Ahnung vom Fach“ gehabt. Ein Geheimnis bleibt aber, mit wem das Gremium besetzt war. Und auch das offenbar doch so wichtige Kriterium der „Profilschärfe“ bleibt schwammig: Das sei, so Coldewey, „ein weites Feld“. Darüber könne man „endlos philosophieren“.
Das ist symptomatisch für die Informationspolitik der Nordmedia: Scharfe Kritik kommt deshalb auch von der Opposition im Landtag. Der veröffentlichte Kurzbericht jedenfalls sei „nicht ausreichend als Begründung für die Schließungen“, heißt es in einem SPD-Antrag. Ebenso kritisieren die Grünen das „intransparente Evaluationsverfahren“. Beide Fraktionen haben die Nordmedia aufgefordert, die ausführliche Fassung des Berichts dem Kulturausschuss vorzulegen. „Wir wollen wissen, welche Methode bei der Überprüfung angewendet wurde“, so dessen Vorsitzende Christina Bührmann (SPD). Die Förderanstalt allerdings verweigert die Auskunft. Warum? „Aus Gründen des Datenschutzes“, so Coldewey. Bemerkenswert. Immerhin muss sich Nordmedia-Geschäftsführer Thomas Schäffer den Fragen des Ausschusses stellen – am 27. November.
Ob das die geplanten Streichungen verhindert, ist fraglich. Denn selbst Ausschussvorsitzende Bührmann ist „nicht dafür, alle Festivals zu erhalten“. Holger Tepe vom Osnabrücker Filmfest äußert trotzdem Zuversicht: „Solange das Thema diskutiert wird, sehe ich Chancen.“
Filmfest Osnabrück, ab 8.Oktober. Infos: www.filmfest-os.de
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