„Die Leute hätten neu wählen müssen“

Wolfgang Cordes, Oberbürgermeisterkandidat und Ratsfraktionssprecher der Bochumer Grünen, wird heute wieder gegen Hartz IV demonstrieren. Er wünscht sich von seiner Partei, dass sie sich gegen das Gesetz stellt

taz: Herr Cordes, warum sollten die Grünen wegen Hartz IV in die Opposition gehen?

Wolfgang Cordes: Die Zumutbarkeitsregelungen und die geringen Möglichkeiten, die Altersvorsorge zu erhalten, führen zu einer massiven Veränderung in Arbeitswelt und Gesellschaft. Das geht in Richtung USA – und nicht in Richtung Skandinavien. Da hätte man nicht zustimmen dürfen. Man hätte die Leute bei einer Neuwahl entscheiden lassen müssen.

Sollten die Grünen die Koalition tatsächlich aufgeben, gäbe es wahrscheinlich eine CDU-Regierung. Würde das den Druck nicht noch verschärfen?

Wenn eine CDU-geführte Bundesregierung diese Veränderungen durchsetzen würde, würde es einen viel breiteren Widerstand geben, als wir jetzt haben. Wenn Grüne, Sozialdemokraten und Gewerkschaften gemeinsam gegen diese Weichenstellung vorgehen würden, wäre das nicht durchsetzbar.

Grüne, SPD, Gewerkschaften – gibt es dieses Bündnis überhaupt?

Zur Bundestagswahl 1998 und 2002 ist Rot-Grün mit Forderungen nach Solidarität und sozialer Sicherung angetreten. Mit diesen Wahlprogrammen sind die letzten Bundestagswahlen gewonnen worden gegen diejenigen, die rein auf Steuersenkungen setzen und auf den Abbau des Staates setzen.

Von diesem Programm merkt man momentan aber nicht so viel...

Gerade die Grünen haben Hartz so nicht gewollt. Die Bundestagsfraktion kritisiert ja auch die Zumutbarkeitsregelungen. Letztendlich hat die CDU das reingedrückt.

Rot-Grün hat sich das nun aber „reindrücken“ lassen. Überschätzen sie nicht die Standfestigkeit ihrer Partei?

Der Neoliberalismus hat auch auf Rote und Grüne durchgeschlagen. Aber bei vielen ist das nicht so. In der öffentlichen Auseinandersetzung ist häufig in einer Art und Weise gesprochen worden, die ich nur als neoliberal bezeichnen kann.

Warum sind sie dann noch Grüner?

Viele Leute stellen sich durch Hartz IV besser. Die Sozialhilfeempfänger bekommen doch mehr. Ich bin ja auch grundsätzlich für die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, weil es eine steuerfinanzierte Leistung ist. Deswegen brülle ich ja auch nicht „Weg mit Hartz IV“.

Genau das aber rufen die Menschen, mit denen sie montags demonstrieren.

Diese einfachen Sprüche von links stören mich schon. Es gibt nun mal Probleme, vor denen die Gesellschaft objektiv steht: Veränderung der Altersstruktur, verschärfter Wettbewerb vor allem für gering qualifizierte Menschen. Die alten weltrevolutionären Parolen rauszudreschen, von Planwirtschaft zu sprechen, das hilft nun wirklich nicht. Ich weiß nicht, wie man als erwachsener Mensch heute so naiv sein kann, das zu vertreten.

Trotzdem gehen sie mit diesen Leuten auf die Straße...

Ich bin in der Friedensbewegung auch mit DKPlern auf die Straße gegangen, obwohl ich mit denen gesellschaftspolitisch nichts zu tun hatte. Wo käme man denn hin, wenn man seine Position nur dann öffentlich artikuliert, wenn alle Protestler dieselbe Meinung haben.

Im September ist Kommunalwahl. Ist Ihre Ablehnung von Hartz ein Wahlkampfmanöver?

Ich hätte die gleiche Position, wenn keine Kommunalwahl wäre. Wahltaktisch wäre es sicherlich klüger, einfach die Schnauze zu halten und abzutauchen, und nach der Wahl zu versuchen, noch was an dem Gesetz zu ändern. INTERVIEW: KLAUS JANSEN