Bist Du ich? Angst!

„caravenes“ beim „freiRÄUMEn“-Festival des Jungen Theaters. Sechs Zuschauer treffen auf zwei Schauspieler

Ein Wohnwagen – irgendwo an der Weser. Nicht so ein moderner, groß wie ein Einfamilienhaus mit allem Pipapo, sondern ein ganz kleiner und alter. Spaziergänger werfen so verwunderte wie irritierte Blicke auf das ungewöhnliche Bild.

Im Rahmen des Schwankhallen-Festivals „freiRÄUMEn“ fand das international finanzierte Theaterprojekt „caravanes“ einen ungewöhnlichen Aufführungsort. Im Wohnwagen verteilen sich sechs Zuschauer auf zwei Bänke am Spanplatten-Holzimintat-Tisch. Darauf eine kleine Blumenvase, wie man sie bei all unseren Omas finden kann. Lampen längst vergangener Moden spenden Licht.

Die zwei Darstellerinnen spielen auf den verbliebenen drei Quadratmetern: nur einen knappen Meter von den Zuschauern entfernt. Das ermöglicht, mit viel leiseren Tönen zu agieren als auf einer großen Bühne. Durch die fehlende Rampe als imaginäre Grenze entsteht eine intime Situation. In der sich mancher Zuschauer auch schutzlos fühlt, Angst hat, von den Schauspielern angesprochen zu werden – und mitspielen, Teil der Inszenierung werden zu müssen.

Aber schnell weicht die Angst der Entspannung. Es gibt keine Übergriffe vom Bühnen- in den Zuschauerraum. Nur eine ältere Frau (Mathild Reuter), die einsam im Wohnwagen herumsitzt und Kreuzworträtsel löst, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan.

Plötzlich kommt ein Fahrradkurier vorbei, verkörpert von einer jungen Frau (Isabelle Stoffel). Der anhebende Dialog klingt – arg surreal. „Bist du ich, oder bin ich du?“ Das sind so philosophisch aufgequollene Fragen, die das Publikum vom Geschehen distanzieren. Obwohl es direkt vor einem stattfindet.

Regisseurin Pamela Dürr schrieb den Text für ihre dreißigminütige Inszenierung – und hat zu viel kunstvoll gedrechselte Bedeutung gewollt. „Es freut mich, mich kennen gelernt zu haben“, ist dann so ein Resümee eines Stückes ohne erkennbares Thema. Die Figuren hat man nicht kennen gelernt.

Ein schönes Bild bleibt am Schluss trotzdem im Gedächtnis hängen. Der Fahrradkurier ist wieder weggefahren und hinterlässt ein blinkendes Fahrradlicht. Die alte Frau öffnet den Schrank – in dem dutzende Fahrradlichter blinken. Anna Postels