der kommentar
: Der olympische Furor

Für einige Länder haben Olympische Spiele nicht nur eine sportliche Bedeutung: Sie gelten als Trostpflaster für gefühlte Rückständigkeit

Hübsch, wie Königin Margrete von Dänemark den Handballerinnen live in Athen beim Finale gegen Südkorea beistand. Wie sie sich irgendwie schließlich am Sieg freute. Die dänischen Zuschauer schienen ähnlich zu fühlen: Man wäre unglücklich über eine Niederlage, doch es wäre keine Schmach gewesen. Anders die Griechen, die ohnehin die internationale Kritik an der Planung des größten Sportfestes der Welt mehr abtaten als beherzigten – und die Dopingfahndung gegen ihre beiden Sprinter Kenteris und Thanou als antigriechische Verschwörung begriffen. Ähnlich Russland: Der Furor, der dort um sich griff, als Turner Alexander Nemow nicht die erwünschten Noten erhielt, erinnerte mehr an Krieg als an Kummer um Geschmacksirrtümer.

Länder, die einst Imperien waren und nun nur noch, international gesehen, unter ferner liefen rangieren, nehmen sportliche Niederlagen über den Sport hinaus bitter ernst. Ihre Aggressivität gegen Rivalen ist Beweis für den gefühlten Abstieg von Nationen: egal ob es faktisch einer ist oder nicht. Länder, die ökonomisch oder sozial mehr oder weniger im Lot sind, nehmen Sportliches als eben dieses: als ein Mensch-ärgere-dich-nicht mit guten oder schlechten Zufällen. Deutschland (wie Dänemark) belegt eine Mittelposition: Man freut sich über jede Medaille – nationalistische Taumel oder Depressionen sind aus ihnen nicht zu legieren. Sehr erfreulich! JAF