Obama lässt Forscher wieder forschen

US-Präsident Barack Obama will die restriktive Politik der Bush-Regierung gegen die embryonale Stammzellforschung wieder umkehren. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt die Freigabe, die US-Kirchen jedoch kündigen Widerstand an

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

„Statt neue Entdeckungen voranzubringen, hat unsere Regierung in den letzten Jahren die falsche Alternative zwischen Wissenschaft und Moral beschworen. Ich halte beide nicht für unvereinbar.“ Mit diesen Worten unterzeichnete US-Präsident Barack Obama am Montag einen Erlass, der die unter George W. Bush drastisch eingeschränkte staatliche Förderung embryonaler Stammzellforschung wieder erlauben soll. Damit geht Obama ein weiteres Thema an, in dem er einen Politikwechsel versprochen hatte.

Geld aus der Staatskasse gab es unter Bush, einem strammen Evangelikalen, zuletzt nur für die wissenschaftliche Arbeit an embryonalen Stammzelllinien, die vor August 2001 gewonnen worden waren. Zwei Anläufe des Kongresses, die Restriktionen des Weißen Hauses zu lockern, hatte Bush mit seinem präsidialen Veto scheitern lassen. Doch Obama will es bei den Stammzellen allein nicht belassen. Mit dem Erlass kippte er auch eine von Bush erlassene Regelung, die Abtreibungen erschwerte. Ärzte, die Bundesmittel erhalten, dürfen Schwangerschaftsabbrüche demnach künftig nicht mehr aus Gewissensgründen verweigern.

Laut Vorabberichten wolle Obama nicht nur die Forschung an den hunderten existierenden Stammzelllinien erlauben, sondern darüber hinaus auch die Schaffung neuer Linien, vornehmlich aus überzähligen Embryonen, die im Rahmen von Hormonbehandlungen in Fertilitätskliniken entstehen und ohnehin vernichtet werden. Bliebe jedoch das sogenannte Dickey-Wicker-Amendment in Kraft, nach dem seit 1996 Forschung an Embryonen verboten ist, könnten US-Forscher auch unter der neuen Gesetzgebung keine eigenen Stammzelllinien schaffen.

Der US-Präsident könne dem Kongress da keine Vorschriften machen, hieß es aus dem Weißen Haus, und habe es auch gar nicht vor. Obama selbst sagte, Stammzellforschung solle im „Rahmen der Bundesgesetzgebung stattfinden“. Für seine Revisionsabsichten kann Obama im Kongress auf breite überparteiliche Unterstützung zählen. Laut Umfragen ist auch die Mehrheit der US-Bürger für eine Ausweitung der Stammzellforschung.

Aus den Laboren britischer und kanadischer Wissenschaftler drang kürzlich die Nachricht, dass es gelungen sei, menschliche Hautzellen zu pluripotenten Stammzellen umzuprogrammieren. Solche Fortschritte könnten in Zukunft das Extrahieren embryonaler Stammzellen überflüssig machen, hieß es.

Unterdessen haben US-Kirchen Widerstand gegen den Kurswechsel angekündigt. Die katholische Kirche fährt seit Ende Januar die größte Postkarten- und E-Mail-Kampagne ihrer Geschichte, um gegen die Freigabe der embryonalen Stammzellforschung sowie die Stärkung des Rechts auf Abtreibung zu kämpfen. Für Montag waren von Lebensschützern landesweit Protestaktionen angekündigt.

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