Erhöhter Gaspreis als russische Rache

Wie Russland versucht, über die Preisbildung Politik beim rohstoffarmen weißrussischen Nachbarn zu machen

BERLIN taz ■ Die Weißrussen müssen sich warm anziehen: Der russische Gasgigant Gasprom kündigte an, die Preise für Lieferungen ins Nachbarland drastisch zu erhöhen. Auf der Grundlage eines Abkommens vom April 2002 wurde Weißrussland – massiv von Russlands Gas abhängig – bislang zum Vorzugspreis von 28 US-Dollar für 1.000 Kubikmeter Gas beliefert. Zum Vergleich: Die Ukraine zahlt 50, westliche Staaten gar 110 Dollar.

Hinter derartigen Subventionen für Weißrusslands marode Wirtschaft stehen handfeste russische Interessen. Denn das Abkommen bietet Gasprom die Chance, sich bei Weißrusslands staatlicher Gasgesellschaft Beltransgas als Mehrheitseigner einzukaufen. Dabei geht es Russland, das Gas vor allem via Ukraine in den Westen exportiert, hauptsächlich um den Zugriff auf eine weitere Pipeline. Allerdings ist diese Übernahme ins Stocken geraten. Während Minsk, das bei Gasprom für dieses Jahr noch mit 126 Millionen Dollar in der Kreide steht, 5 Milliarden für die Anteile verlangt, will der russische Gasriese nur eine Milliarde zahlen. Gasprom-Chef Aleksei Miller kündigte an, sich „wegen unüberwindbarer Differenzen“ aus den Verhandlungen mit Beltransgas zurückzuziehen. Und erhöhte zeitgleich die Preise.

Der jüngste Streit um den Verkaufspreis dürfte allenfalls einer der Gründe für Gasproms „Gasattacke“ sein. Beobachter glauben, Moskau versuche die schlechte Reputation des weißrussischen Staatspräsidenten Alexander Lukaschenko auszunutzen, um Betriebe im Bruderland als Schnäppchen zu erwerben. Medien mutmaßen, der Vorstoß sei die Antwort auf Lukaschenkos Weigerung, den russischen Rubel zum Jahr 2005 als gemeinsame Währung einzuführen. Anfang des Monats hatte Lukaschenko gefordert, zunächst eine Unionsverfassung zu verabschieden. Das missfällt Moskau.

Immerhin kommen, sollte Gasprom die Drohung zum Jahresende wahr machen, auf Minsk jährlich Mehrausgaben in Höhe von mindestens 100 Millionen Dollar zu. Leanid Zaika, Leiter des Minsker Instituts für Strategie, sieht in der neue Situation aber auch eine Chance. Das billige Gas sei bislang für Weißrusslands wettbewerbsunfähige Wirtschaft wie eine Droge gewesen. Eine Preiserhöhung könnte die Regierung aber dazu zwingen, endlich dringend notwendige Reformen einzuleiten. BARBARA OERTEL