Gemeinsam einsam

Die Organisatoren der Montagsdemos trafen sich in Berlin und Leipzig und zeigten vor allem eines: ihre Uneinigkeit

BERLIN taz ■ „Magdeburg verlässt den Saal“, sagt Andreas Ehrholdt bedeutungsschwer. Behäbig schiebt sich der Initiator der Magdeburger Montagsdemo durch die engen Stuhlreihen des Hörsaals 3038 in der Berliner Humboldt Universität. „Spalter!“, ruft ihm jemand nach.

Zum ersten Mal trafen sich am Samstag die Organisatoren der Montagsdemos, um die deutschlandweiten Proteste gegen Hartz IV zu koordinieren. 100 Initiatoren aus insgesamt 15 Städten waren zu dem „Vernetzungstreffen“ in die Hauptstadt gekommen – und führten zunächst vor, wie gespalten die Proteste sind.

In Berlin fand nicht das einzige überregionale Treffen statt: Zur gleichen Zeit kamen genau so viele Organisatoren in Leipzig zusammen. „Die Veranstaltungen sind zeitgleich einberufen worden. Es ist nicht mehr gelungen, sie zusammenzulegen“, sagt Werner Halbauer von den Leipziger Organisatoren. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass dem Berliner Aktionsbündnis „Weg mit Hartz IV“ der Einfluss der marxistischen MLPD bei dem Treffen in Leipzig ein Dorn im Auge war.

Sind die Spaltungen zwischen den Organisatoren, die sich als Risse in einer Vielzahl der Städte fortsetzen, Symptome eines Kränkelns der Montagsdemos? Fest steht: Wenn die Organisatoren weiterhin streiten, wirkt sich das auf die Stimmung auf der Straße aus. Eine wichtige, vereinigende Rolle könnten die Gewerkschaften spielen. Bisher bezichtigen die sie sich jedoch gegenseitig der Tatenlosigkeit. Trotz allem prognostiziert Attac für heute mit 180 Proteststädten einen neuen Höhepunkt der Demonstrationen.

Einer der Konflikte zwischen den Organisationsgruppen ist der Umgang mit dem Zulauf der Rechten. In der Humboldt-Universität trafen dabei vor allem Normalbürger aus Oststädten auf linke Szene. Ehrholdt, der die Tradition der Montagsdemos vor einem Monat wiederbelebt hatte, wurde vom Magdeburger Attac-Mitglied Jens Maeß vorgeworfen, das Auftreten der Rechten nicht zu verhindern. Er werde mit „Dreck beworfen“, erwiderte Ehrholdt wütend und ging.

Fronten, die sich bei den Magdeburger Demos andeuten, haben sich in Berlin und Leipzig längst verhärtet. In Berlin werden – wie schon in der vergangenen Woche – zwei Demonstrationszüge durch die Stadt ziehen. In Leipzig haben sich die beiden Gruppen „Sozialforum“ und „Aktionsbündnis Soziale Gerechtigkeit“ darüber zerstritten, ob Politiker bei der Kundgebung sprechen dürfen. Sicher ist wohl, dass Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine dorthin kommen wird. Im Spiegel kündigte indes auch Bundesaußenminister Fischer an, er werde in Leipzig reden, wenn man ihn einlüde.

Doch die Gesprächsangebote, die es sowohl von den Grünen als auch von der SPD gegeben hat, werfen Probleme unter den Demonstranten auf. Wer soll stellvertretend für den Protest mit den Regierenden sprechen? „Wir müssen eine legitime Delegation bestimmen“, sagt Sascha Kimpel von dem Berliner Aktionsbündnis. Ehrholdt lädt dagegen weiterhin „den Herrn Schröder“ an einen runden Tisch auf dem Magdeburger Domplatz an.

Bei aller Spaltung haben sich die Organisatoren der Demos am Samstag zumindest auf den 2. Oktober als Termin für einen deutschlandweiten Protest geeinigt. Kimpel von den Berliner Organisatoren sagte, man werde sich bis dahin um Zusammenarbeit mit den Leipzigern kümmern. Auch der Magdeburger Ehrholdt wird wieder dabei sein, denn die Streitigkeiten wurden vorerst geschlichtet. Wichtig für einen deutschlandweiten Protest bleibt jedoch, dass auch Vertreter aus westdeutschen Städten hinzukommen. Bei dem Berliner Treffen war es lediglich einer, aus Aachen. SASCHA TEGTMEIER