Ein Stoiber im Himmel

Nachdem der CSU-Chef durch den Wahlabend schwebte, muss er sich jetzt um die Verjüngung seines Kabinetts kümmern. Und um die Macht im Bund

aus München JÖRG SCHALLENBERG

Das Lächeln ist verschwunden. Keine Spur mehr von jenem seligen Dauergrinsen, mit dem Edmund Stoiber am Wahlabend durch den Landtag schwebte und dabei so wirkte, als wolle er jedem Reporter, der ihm über den Weg lief, um den Hals fallen. Doch als Stoiber dieselben Journalisten am Montagmittag zur Pressekonferenz wieder trifft, ist der Rausch abgeklungen und zugleich ein ebenso ernster wie entschlossener Gesichtsausdruck ins Gesicht des bayerischen Ministerpräsidenten getreten. Kein Anzeichen von Siegestriumph findet sich in Stoibers Gesten und Worten. Wahlsieger war ich gestern, signalisiert seine Haltung, heute bin ich verantwortungsvoller Landesvater und gewichtiger Wortführer der Opposition in der Bundespolitik.

Vor allem Letzteres. Denn in seiner Erklärung zum Wahlsieg streift der 61-Jährige eher kurz die Erfolge der CSU bei jungen, weiblichen und sozial schwächeren Wählern, die eigentlich zur angestammten SPD-Klientel zählen. Auch die bevorstehenden Aufgaben der Landespolitik handelt Stoiber knapp ab, bevor er sich seinen Gegner vorknöpft – die rot-grüne Bundesregierung und deren „heilloses Reformdurcheinander“.

Weil die Grünen aber bei der Bayern-Wahl beträchtlich hinzugewonnen haben, attackiert der CSU-Chef vor allem die SPD, die längst „den Kontakt zum Volk verloren“ habe. In getragenem Tonfall, der zu einer Beerdigung passen würde, bedauert Stoiber jene „hunderttausende traditionsbewusster aufrechter SPD-Leute“, die dank Schröder und Genossen nunmehr „ihre politische Heimat verloren“ hätten. Angesichts solch eines Pathos hätte sich wohl niemand im Saal gewundert, wenn „Die Internationale“ erklungen wäre.

Doch bevor er vollends zur neuen Hoffnung der Arbeiterklasse mutiert, findet Stoiber zurück in gewohntes Fahrwasser und fasst schnell noch die bekannten Forderungen der Unionsparteien zu Steuer- und Sozialreformen zusammen. Leicht genervt wirkt Stoiber erst angesichts der Fragen nach der Landespolitik. So wird die CSU-Alleinregierung in den kommenden Jahren mit erheblichen Finanzproblemen zu kämpfen haben, nachdem fast alle Staatsbeteiligungen verkauft wurden. Die neue Zweidrittelmehrheit wird ihm da wenig helfen. Sie reicht in Bayern nicht mal für Verfassungsänderungen – dafür ist ein Volksentscheid nötig –, sondern berechtigt allenfalls zur Absetzung des Rechnungshofpräsidenten oder eines Ausschussvorsitzenden im Landtag.

In München steht nun als Erstes die Umbildung und Verjüngung von Kabinett und Parteispitze auf dem Programm. So soll der bisherige Generalsekretär Thomas Goppel den ausscheidenden Wissenschaftsminister Hans Zehetmair, 66, beerben – allerdings zweifelt selbst innerhalb der CSU mancher Goppels Kompetenz an. Als Nachfolger Goppels wiederum gilt der frühere bayerische JU-Chef Markus Söder. Freilich wird der Geltungsdrang des 36-Jährigen selbst von einigen CSUlern beargwöhnt – er äußerte sich jüngst sogar zur Frage, ob der Rundfunk Berlin-Brandenburg das Sandmännchen aus dem Programm nehmen darf. Seit ein paar Wochen ist als Generalsekretär auch der Bundestagsabgeordnete Georg Fahrenschon, 40, im Gespräch. Der bisherige Staatskanzleichef Erwin Huber, 57, soll entweder den bisherigen Finanzminister Kurt Faltlhauser, 63, ablösen oder Alois Glück als CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag beerben. Der 63-Jährige soll Landtagspräsident werden. Als sicher gilt der Abgang von Justizminister Manfred Weiß, dessen Amt entweder die Europa-Abgeordnete Angelika Niebler oder die Neu-Ulmer Bürgermeisterin Beate Merk übernehmen soll. Doch zu all dem will Stoiber einen Tag nach der Wahl nichts sagen, es entfährt ihm lediglich, „dass ich mich noch lange nicht entschieden habe“.

Das bedeutet wohl, dass mit Überraschungen zu rechnen ist – und darüber hinaus macht es klar, dass der Ministerpräsident freie Hand bei der Kabinettsumbildung hat, wie einer seiner Mitarbeiter in der Wahlnacht sagte. Stoibers Macht ist seit Sonntag gewachsen, nicht nur in Bayern. Man müsste sich schon sehr täuschen, wenn man die Botschaft des Auftritts am Montag missverstanden hat: Der Tag nach der Landtagswahl ist zugleich der erste Tag des Wahlkampfs von Edmund Stoiber für das Amt des Kanzlers im Jahre 2006.