Palast hier, Ballast dort

Wie weiter mit dem Haus? Abriss fordert der Senat, Strieder eine Grünfläche. Kultur rein, sagt Flierl, machen wir, meint der Verein Zwischen-Nutzung. 1.000 Tage, hofft Ströver

Statt 1.000 Tage bis zur WM, 1.000 Tage für die kulturelle Nutzung des Palastes

Im Palast der Republik erklingt Richard Wagner. Christian von Borries, Dirigent des Brandenburgischen Staatsorchesters in Frankfurt, mixt die pathetischen Töne mit Techno-Sound, dass das Betongerippe schwingt. Bis Ende September dröhnt „Psychogeographie 2 – Der Wagnerkomplex“ in der vom Asbest befreiten DDR-Symbolruine. Amelie Deuflhard von den Sophiensælen und Christian von Borries haben es geschafft, was Deuflhard als Vorsitzende des Vereins Zwischen-Palast-Nutzung seit längerem anvisiert hat: Wir beleben das Haus wieder, wir machen dort Veranstaltungen, Musik et cetera, bis irgendwann – in ferner Zukunft – der Abriss des Gebäudes kommt.

In den Ohren von Bausenator Peter Strieder (SPD) klingt die wagnerianische Zwischennutzung nicht so erfreulich. Der Bausenator selbst hat sich noch in den letzten Tagen der Asbestsanierung 2001/2002 gegen eine Weiternutzung des Volkskammersaals als Kulturstandort ausgesprochen. „Außerdem gibt es seit dem Frühjahr eine Entscheidung des Senats“, erinnert Strieders Sprecherin Petra Reetz, „das Gebäude abzutragen.“ Nach Strieders Vorstellungen soll dort eine temporäre Grünfläche angelegt werden. Diese biete nicht nur für die Stadtmitte eine bessere Alternative als der marode Palast. Die Grünfläche bilde das ideale Äquivalent für die Zeit, bis Bund und Land sich für den Neubau vor Ort entschieden haben, so Strieder.

Bedeutet die Nutzung mit Wagner-Klängen nun die Ausnahme von der Regel oder gar eine Revision der Senatslinie, zumal Kultursenator Thomas Flierl (PDS) den „Wagnerkomplex“ als „hoffnungsvollen Auftakt für die kulturelle Zwischennutzung“ bezeichnet hat? „Ich begrüße solche und andere Vorhaben ausdrücklich. Bis die Planungen für eine Neugestaltung des Schlossplatzes abgeschlossen sind, sollte dieser Ort durch künstlerische Projekte belebt werden“, so Flierl.

Jein wäre die diplomatischste Antwort, lassen doch die Fakten beide Interpretationen zu. Zum einen besteht die Verabredung in Berlin und zwischen Land und Bund, das Haus zugunsten einer Schlossrekonstruktion zu beseitigen. 600 Millionen Euro soll der Wiederaufbau kosten. Zusätzlich schlagen Kosten für einen vorzunehmenden Totalabriss zu Buche. Woher der Bundesfinanzminister die Summen nehmen will, ist unklar.

Zugleich rechnet die Bauverwaltung „nicht damit“, dass der Bericht, den Kulturstaatsministerin Christina Weiss in der kommenden Woche zur Zukunft des Schlossareals vorlegt, „zeitliche und finanzielle Lösungen“ beinhalten wird. „Umso mehr“, meint Reetz, müsse deshalb am Abriss und der Grünflächenoption „festgehalten werden“. Der Schlossplatz werde sonst zum „Schandfleck“, sekundiert Wowereit-Sprecher Michael Donnermeyer. Nein zur Zwischennutzung sagt auch die PDS. An der Regierungsmacht beteiligt, frisst ihr Landeschef bei diesem Thema Kreide. „Wir werden uns nicht an den Palast ketten und den Abriss verhindern“, wird Stefan Liebig in den Medien zitiert.

Doch auch die Befürworter der Zwischennutzung zeigen sich gut vorbereitet – und sind durchaus achtbar: Die Bundesvermögensabteilung, die den Palast verwaltet, zeigt sich den kulturellen Antragstellern gegenüber offen. Mehrere „Tage der offenen Tür“ wurden gestattet. Nun bespielt von Borries das Haus, bis 2006 liegen Anträge für Theater- und Musikveranstaltungen vor.

Hinzu kommt, dass der Verein nicht nur richtig liegt mit dem Urteil, dass sich in den kommenden Jahren nichts in Richtung Schlossneubau tut, sondern auch mit gewichtigen Partnern kooperiert: etwa der Staatsoper, der Humboldt-Universität oder der Volksbühne – und per Förderkreis Mittel für die Aufführungs- und Sicherheitsstandards akquiriert. Schließlich stellt sich der Zwischennutzungsverein schlau an, wurde doch die Wagner-Genehmigung beantragt für eine „musikalische“ Führung – und für kein Konzert, das den Umbau des halben Hauses vorausgesetzt hätte.

Abrissbegehren hier – Zwischennutzungsansätze da. Alles scheint trotzdem in Bewegung. Da hört sich der Vorschlag von Alice Ströver, Kulturexpertin der Grünen, auch nicht schlecht an. Als Alternative zu „1.000 Tage bis zur WM“ schlägt sie „Noch 1.000 Tage Palast“ vor. Ströver: „Statt Abriss jetzt, sollte der Palast für 1.000 Tage geöffnet sein und dann sein verdientes Ende haben. So lange wird es ohnehin dauern, bis die Bebauungskonzepte stehen.“ ROLA