strafplanet erde: erben, schenken, stiften gehen von DIETRICH ZURNEDDEN
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Ein leidlich informierter Mensch rätselt nicht lange, auf welchem Wege seine Anschrift in irgendwelche Listen gerät. Der Adressenhandel dürfte zu den wenigen Branchen gehören, die funktionieren. Man räumt halt regelmäßig die Briefkästen leer – und gut. Aber man gerät ins Grübeln, wenn man den Eindruck hat, da kursiere ein Profil, das den richtigen Namen trägt, aber nichts mit einem zu tun hat.

Dass die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte kürzlich eine „Renteninformation“ zuschickte, die mich über meinen „aktuellen Kontostand“ aufklärte, war noch halbwegs erklärbar. Passend zu den aktuellen Diskussionen, denen man nicht entrinnen kann, selbst wenn man nur an Sonn- und Feiertagen Nachrichten schaut, überreichte man mir eine „Hochrechnung der künftigen Altersrente“. Kein Zweifel: Das äußerst sachliche, ja formularartige Schreiben sollte mir Angst einjagen, mehr noch: mich in Panik versetzen.

Die Beträge, die bei den unterschiedlichen Rechenmodellen herauskamen, waren so karg bemessen, dass eine Klage gegen die BfA wegen seelischer Grausamkeit unbedingt zu meinen Gunsten entschieden würde. Die Post aus Berlin hatte aber auch einen erkenntnistheoretischen Aspekt: Die Zeile aus The Who’s „My Generation“, das die Älteren unter uns als wild romantisches Senioren- und überhaupt Spießer-Bashing aufgefasst haben, bekommt angesichts der demografischen Entwicklung und angehörs des Alarmgebrülls, das damit verbunden ist, einen völlig anderen Subtext: „Hope I die before I get old“. Keine paar Tage später fand ich eine Ausgabe des Senioren-Journals vor. Kaum war das dem Altpapier zugeführt, lag das Programmheft für den „Deutschen Seniorentag 2003“ da, ein dreitägiges Event Anfang Oktober, das unterstützt wird vom Viagra-Hersteller Pfizer und der Deutschen Schlaganfall-Hilfe. Ob ich nun am „Gedächtnisparcour: Denken macht Spaß“ teilnehmen sollte oder am Workshop 2, der das Thema „Denken und Bewegen: kompetent altern“ bearbeitet, das blieb abzuwarten, während das Symposium VI „Erben – Schenken – Stiften“ wegen mangelnder Substanz außer Frage steht. Passender, gradezu verlockend, klang die „Geburtstagsparty bei Feierabend.com“ des Internet-Clubs für „Menschen in den besten Jahren“, ein Ereignis, das allerdings getoppt werden wird durch „Jung und Alt vereint im Tanz“. Ich meldete mich schließlich an für „Pilger vernetzen Europa – Ältere entdecken den Jakobusweg“, erstens weil ich schon immer mal nach Santiago de Compostela (die Materialisierung zu Letzterem steht uns ja allen bevor) fahren wollte, und zweitens … habe ich vergessen.

Bevor es losgeht, suchte ich noch nach einem Satz, mit dem ich im Plenum Punkte sammeln würde, und fand ihn bei Bogumir Ecker (ein Kunstwerk von ihm tropft in den nächsten hunderttausend Jahren drei oder fünf Stockwerke der Hamburger Kunsthalle hinab). Ecker machte folgenden Vorschlag: „Die Kunst besteht also darin, jung zu sterben, das aber so spät wie möglich.“ Was eventuell auch wieder ziemlicher Quatsch ist.