Neue Identitäten aus der Lostrommel

Viele Kunden und Mitarbeiter von Unternehmen sind nichtdeutscher Herkunft. Wie man damit umgeht, lehren Azubis beim Diversity-Training

VON ANGELA ISPHORDING

Janine Würz macht eine Lehre zur Friseurin im Berliner „SOS- Berufsausbildungszentrum“. Ob es an dem punkigen Haarschnitt oder einfach an ihrem jugendlichen Alter liegt – im Adlon am Brandenburger Tor wird ihr und ihren Freundinnen nur mit Hindernissen ein Kaffee serviert. Erst als sie dem Kellner erklären, dass er Teil eines Studienexperiments sei, bekommt der Mann rote Ohren und entschuldigt sich. Aber da haben die vier bereits ihre Erfahrung notiert und die Rechnung bezahlt.

Janine nimmt mit 13 anderen Azubis verschiedener Ausbildungsbetriebe an einer Fortbildung des Vereins „Eine Welt der Vielfalt, Berlin“ teil. Sechs Tage lang setzen sich die jungen Erwachsenen mit dem Thema Diversity (Vielfalt) auseinander. Im Mittelpunkt steht dabei immer das eigene Erleben. Die Methode wurde von der US-amerikanischen Organisation „A World of Difference“ entwickelt. Identität, Vorurteile und Diskriminierung werden durch eine Reihe von Übungen erfahrbar gemacht.

Zum Beispiel durch „Die Karten werden neu gemischt“: Mit der Anleitung „Stell dir vor, du wachst morgen auf und bist jemand ganz anderes“ zieht jede(r) fünf Karten, die die Grundlage für eine neue Identität darstellen. Da gibt es dann einen behinderten Informatiker; eine lesbische Unternehmerin, eine Sozialhilfeempfängerin jüdischen Glaubens oder einen amerikanischen Künstler im Rollstuhl. Spannend ist dann die Auseinandersetzung mit der neuen Identität. Wie fühlt es sich an, plötzlich behindert, lesbisch oder schwarz zu sein? Wo sind die Vorteile – gibt es sie überhaupt? Die letzte Frage ist die schwierigste: „Glaubst du, dass du in deinem neuen Leben glücklich sein könntest?“

Die Fortbildung findet im Rahmen des Bundesprogramms „Xenos – Leben und Arbeiten in Vielfalt“ statt. Sie richtet sich an Jugendliche und LehrerInnen von berufsausbildenden Einrichtungen in Berlin und Brandenburg. Neben staatlich geförderten Institutionen wie dem SOS Berufsausbildungszentrum im Wedding beteiligen sich auch private Unternehmen wie die Telekom, Karstadt oder Vivantes an dem Projekt. Denn während Rot-Grün immer noch versucht, die Mindeststandards der EU zum Schutz von Minderheiten in ein Gesetz zu packen, haben deutsche Unternehmen längst begriffen, wie gut sich Diversity Management verkaufen lässt. Gerhard Braune, Leiter der Berufsausbildung des Telekom Trainings-Centers Berlin, bringt es auf den Punkt: „Wir haben allein in Deutschland 32 Millionen Kunden, und da gibt es ja viele Ausländer, ethnische Minderheiten und so weiter. Wenn die merken würden, dass die Telekom diese Sachen nicht so vorantriebe, würden die sich wahrscheinlich andere Anbieter suchen.“ Eine Frage des Images, um die sich das Unternehmen schon seit Jahren kümmert. „Es ist im neuen Manteltarifvertrag für die Azubis festgeschrieben, dass dieses Thema ein Bestandteil des Unterrichts sein muss“, sagt Braune. Da kam das Angebot des Berliner Vereins gerade recht.

Insgesamt elf Azubis der Telekom wurden von „Eine Welt der Vielfalt“ zu so genannten „Peer-TrainerInnen“ ausgebildet, das heißt, sie können nun selbst ein- bis zweitägige Diversity-Workshops mit Gleichaltrigen durchführen.

Diana Bornstein, die eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation macht, hat diese Feuerprobe bereits bestanden und einen Workshop mit Azubis des ersten Ausbildungsjahrs durchgeführt – mit Erfolg, wie sie sagt, und der lässt sich sogar anhand einer in diesem Workshop erstellten Homepage überprüfen.

Doch die Auseinandersetzung mit dem Thema Diskriminierung beschränkt sich nicht auf Dianas Ausbildungsplatz: „Im Freundeskreis haben sich viele dafür interessiert.“ Bei einem Gespräch über Toleranz gegen Ausländer habe einer gesagt, dass „die Scheißtürken uns nur die Arbeit wegnehmen und hier bloß Ärger suchen“, erzählt Diana. Da habe sie dann anzusetzen versucht. Die Diskussion ging über zwei Stunden.

Solche Auseinandersetzungen sind beabsichtigt: Ziel des auf drei Jahre angelegten Projekts ist es, neben der Verbesserung des Schulklimas die Chancen der teilnehmenden Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Denn immer häufiger verlangen ArbeitgeberInnen neben der fachlichen auch soziale und interkulturelle Kompetenz sowie Team- und Führungsqualitäten. Dafür wäre es aber nötig, dass das von „Eine Welt der Vielfalt Berlin“ ausgestellte Zertifikat bekannt und anerkannt wäre, gibt Diana Bornstein zu bedenken.