Arme Länder am Finanzsystem beteiligen

Heidemarie Wieczorek-Zeul und Joseph Stiglitz fordern dringend finanzielle Hilfen für die Entwicklungsländer

Langfristig sollen die Entwicklungsländer stärker am Finanzsystem beteiligt werden

BERLIN taz ■ Joseph Stiglitz zufolge ist es kein Zufall, dass die Krise die Entwicklungsländer besonders hart trifft. Der Grund sei auch eine verfehlte Finanzpolitik internationaler Organisationen, sagte der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger bei einem Treffen mit Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul am Montag in Berlin. Stiglitz arbeitet in einer Kommission, die im Auftrag der Vereinten Nationen eine Reform des internationalen Finanz- und Währungssystems erstellen soll.

Um die Entwicklungsländer vor dem Bankrott zu bewahren, sei ein schnelles Handeln notwendig, betonten Stiglitz und Wieczorek-Zeul, die ebenfalls der Kommission angehört. Andernfalls drohten zusätzliche Instabilität und Konflikte in den Entwicklungsländern. Im eigenen Interesse müssten die Industrieländer zusätzliche Mittel für die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds bereitstellen. Prävention sei immer billiger als die Kosten der entstehenden Konflikte. Mit dem von der Weltbank bereitgestellten Geld soll armen Ländern eine antizyklische Konjunkturpolitik ermöglicht werden. Das bedeutet zusätzliche Investitionen gerade in der Krise, wie es die Industriestaaten mit ihren Konjunkturpaketen machten. Entwicklungsländer hätten oft keine finanziellen Mittel und müssen gerade in Krisenzeiten die Ausgaben des Staates vermindern.

Langfristig sei es von zentraler Bedeutung, dass die Entwicklungsländer stärker am Finanzsystem teilhaben, meint Stiglitz. Denn gerade der von den USA und europäischen Industriestaaten kontrollierte IWF habe eine prozyklische Politik in Entwicklungsländern gefördert. Zudem müsse eine globale Finanzaufsicht geschaffen werden, die die Entwicklungsländer besser schütze.

Die Experten fordern einen Weltwirtschaftsrat bei der UN, wie ihn auch Bundeskanzlerin Angela Merkel vorschlägt. Dieser soll die Finanzaufsicht überblicken, Lücken im System aufzeigen und den Entwicklungsländern größere Mitspracherechte einräumen. Dazu möchten Stiglitz und Wieczorek-Zeul das bestehende Finanzsystem reformieren. Dabei sollen arme Länder mehr Mitspracherecht bekommen: „Aus der G 20 muss eine G 192 werden.“

STEFAN SPIEGEL