Der graue Karrierist

Der designierte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer gilt als Kompromisskandidat von EU und USA

BERLIN taz ■ Die Farbe Grau bestimme auffallend die Politik des designierten Nato-Generalsekretärs Jaap de Hoop Scheffer (55), schrieb gestern die niederländische Zeitung Algemeen Dagblad.

In der Tat gilt der niederländische Außenminister de Hoop Scheffer eher als Karrierediplomat denn als Politiker. Seine vier Jahre als Fraktionschef der Christdemokratischen Partei (CDA) bis zum Herbst 2001 in der Opposition waren eher glücklos. De Hoop Scheffer wurden zu wenig Charisma und eine zu defensive Haltung gegenüber der sozialliberalen Regierung von Ministerpräsident Wim Kok vorgeworfen. Niemand glaubte ernsthaft daran, dass der CDA unter der Führung von de Hoop Scheffer die Wahlen 2002 gewinnen würde. Und so zogen die Christdemokraten lieber mit Jan Peter Balkenende in den Wahlkampf, der heute Ministerpräsident der Niederlande ist.

Als Belohnung für seinen Rückzug als Fraktionschef erhielt de Hoop Scheffer 2002 den Posten des Außenministers, eine Aufgabe, die dem polyglotten Juristen wohl auch besser passt. Doch auch hier glänzte er eher durch Farblosigkeit denn durch eine prägnante eigene Position. Als er jüngst mit Regierungschef Balkenende von der Bush-Regierung empfangen wurde, hagelte es Kritik von der niederländischen Presse: Balkenende und sein Außenminister hätten vor dem US-Präsidenten gebuckelt. So ist die Berufung von de Hoop Scheffer auch als Belohnung Washingtons für die Haltung der Niederlande im Irakkonflikt zu verstehen. Als im Februar dieses Jahres eine Spaltung der Nato über den Irakkrieg drohte, unterstützten die Niederlande das Vorgehen Washingtons moralisch und politisch, aber nicht militärisch, aus Rücksicht auf die europäischen Partner.

De Hoop Scheffer ist der Kompromisskandidat der Europäer und der US-Amerikaner für den Posten des Generalsekretärs der Nato. Für ihn ist eine „gleiche Wellenlänge zwischen Europa und den USA“ entscheidend für die Zukunft der Allianz, sagte er am Montagabend im niederländischen Fernsehen. Der Nato-Botschafter der USA, Nicholas Burns, bezeichnete ihn als ideale Besetzung, und auch der deutsche Außenminister Fischer lobte den derzeitigen Außenminister als überzeugten Europäer, der zugleich den transatlantischen Beziehungen großes Gewicht beimesse. In der Tat wird dem Nato-Generalsekretär nicht allzu viel Eigensinnigkeit abverlangt, eine Eigenschaft, mit der sich de Hoop Scheffer ohnehin bisher nicht besonders hervorgetan hatte.

Bereits zwei Jahre nach seinem Rechtsstudium an der Universität Leiden ist er als Botschaftssekretär nach Accra attachiert worden. Den gleichen Posten bekleidete er auch ab 1978 in Brüssel bei der Nato. Ab 1980 war er Sekretär des Außenministers, bis er 1986 ins Parlament gewählt wurde.

Nun soll er ab dem 1. Januar 2004 der dritte Niederländer im Amt des Generalsekretärs der Nato sein. Vor ihm besetzten von 1961 bis 1964 Dirk Stikker und von 1971 bis 1984 Joseph Luns diesen Posten.

Wer der neue niederländische Außenminister wird, ist noch unklar. Jedenfalls wünscht sich das Algemeen Dagblad, Balkenende möge „einen Nachfolger suchen, der mehr über eigene Ansichten verfügt, damit die Stimme Den Haags wieder häufiger gehört wird“.

THILO F. PAPACEK