Mit Säbeln und Messern gegen Türsteher

Im südrumänischen Craiova revoltieren Roma gegen Diskriminierungen. Zu vielen Lokalen haben sie keinen Zutritt

BERLIN taz ■ Wenn der rumänische Präsident Ion Iliescu heute zu seinem zweitägigen Staatsbesuch in Deutschland eintrifft, wird es vor allem um bilaterale Beziehungen, Fragen der Erweiterung der Europäischen Union sowie die Globalisierung aus rumänischer Sicht gehen. Über die fortdauernde Diskriminierung ethnischer Minderheiten in seinem Land dürfte Iliescu wohl kaum ausführlich reden wollen.

Dabei war es erst in der vergangenen Woche wieder zu einer Romarevolte im südrumänischen Craiova gekommen. Weil ihnen der Eintritt zu vielen Diskotheken, Restaurants und Clubs verwehrt ist, verwüsteten etwa dreihundert mit Säbeln, Messern und Schlagstöcken bewaffnete Roma das Restaurant „Genoveze“, weil dessen Besitzer ebenfalls keinen Zigeuner in seinem Lokal duldet. Die Auseinandersetzung eskalierte, als die Roma versuchten, einen weiteren Restaurantbesitzer anzugreifen.

Mit großer Verspätung intervenierten die Ordnungshüter. Ein aus 60 Mann bestehendes Einsatzkommando der Polizei und zwei Mannschaften der Gendarmerie versuchten mit Schlagstöcken und Gummigeschossen die Gemüter der Roma zu beruhigen. Die Bilanz: sieben verletzte Roma und keine Festnahme.

Der latente Konflikt zwischen den Roma und den Besitzern von Restaurants, Clubs und Diskotheken hat in Craiova eine besondere Qualität wegen des Einsatzes eines privaten, militärisch strukturierten Sicherheitsunternehmens. Die im Wachschutz „Fratia“ (Die Brüderlichkeit) tätigen und für ihre Brutalität berüchtigten Bodyguards kontrollieren die Eingänge von Lokalen und sind darauf spezialisiert, Roma den Eintritt zu verwehren.

Der private Wachdienst besteht aus Mitgliedern einer 1994 gegründeten rassistischen Gruppe, die als „Organisation zur Bekämpfung der Zigeuner“ (Olit) in Erscheinung trat. Infolge öffentlicher Proteste von Romavereinigungen wurde die Organisation aufgelöst. Ihre Mitglieder legten sich später den zynischen Namen „Fratia“ zu und betätigen sich heute im erwähnten, privaten Wachdienst. Laut inoffiziellen Berichten sollen die Mitglieder dieses „Wachschutzes“ auch in Craiova auf Seiten der Polizei gegen die revoltierenden Roma vorgegangen sein.

In einer Erklärung der Föderation der Romaorganisationen (FORROM) ist die Rede von einem „lautlosen Bürgerkrieg“ zwischen Roma und der rumänischen Mehrheitsbevölkerung, der von den Behörden geduldet wird. Diesen werden zudem schwere Versäumnisse und Vernachlässigung ihrer Pflicht vorgeworfen, wenn es darum geht, Roma zu schützen oder Konflikten vorzubeugen. Die Föderation erinnert an Vorfälle Anfang der Neunzigerjahre, als in mehreren Orten aufgebrachte Rumänen Romaviertel in Brand steckten und mit der Begründung, mutmaßliche kriminelle Roma zu bestrafen, zur Lynchjustiz schritten.

Wie in keiner anderen rumänischen Ortschaft sind die etwa 60.000 in Craiova lebenden Roma einer Diskriminierung unterworfen. Obwohl die an einzelnen Lokalen angebrachten Schilder mit dem Hinweis: „Kein Zutritt für Zigeuner“, entfernt werden mussten, wurden die illegalen Zutrittsverbote für Roma verschärft. Romaorganisationen haben der rumänischen Regierung wiederholt vorgeworfen, bei der Lösung des so genannten Romaproblems versagt zu haben. Bei der letztjährigen Volkszählung haben sich 535.250 Personen als Roma erklärt, das sind 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Inoffizielle Schätzungen sprechen von 2,5 Millionen Roma. Trotz sozialer und politischer Integrationsprogramme der Regierung fühlen sich viele rumänische Roma weiter diskriminiert und rassistischen Angriffen schutzlos ausgeliefert. WILLIAM TOTOK