Vom Weg abkommen soll verboten werden

Der Umweltminister Schleswig-Holsteins, Christian von Boetticher, will das Abweichen von Waldwegen mit Geldbußen belegen. Nicht nötig, finden Naturschutzverbände, Spaziergänger tauchen in den Statistiken als Störquelle kaum auf

Schleswig-Holsteiner werden Rotkäppchen: Wer im Wald vom Wege abweicht, wird bestraft. Der Wolf ist in diesem Fall Förstereiminister Christian von Boetticher (CDU), der einen solchen Passus ins Waldgesetz schrieb. Trotz Protesten stimmte das schwarz-rote Kabinett gestern diesem Plan zu.

Im Herbst berät der Landtag. Sollte das Parlament den Entwurf abnicken, gilt bald, dass Spaziergänger von Februar bis Mitte Juni auf den Wegen bleiben müssen, sonst drohen Geldbußen. Ein solches Verbot gibt es in keinem anderen Bundesland.

Gestern wurden aber Proteste laut, nicht nur von der Opposition, auch von der SPD: „Für uns ist das 2005 geschaffene freie Betretungsrecht in allen Wäldern ein wichtiges Gut“, sagte die Forstexpertin der SPD-Landtagsfraktion, Sandra Redmann. Es sei „das gute Recht des Landwirtschaftsministers, Vorschläge zu unterbreiten“, doch ein Betretungsverbot würde dem Koalitionsvertrag widersprechen. Für eine Änderung sah Redmann „keinen Handlungsbedarf“.

Von Boetticher dagegen schon: „Wir wollen die Fauna in unseren Wäldern vor Störungen schützen“, erklärte er. Das Ziel sei ein besserer Artenschutz in der Brut- und Setzzeit. „Vordergründig“, nennt Ingo Ludwichowski vom Naturschutzbund Nabu dieses Argument: „Es geht wohl darum, zweifelhafte Aktivitäten insbesondere privater Waldbesitzer der Kontrolle zu entziehen. Das betrifft in Schleswig-Holstein 30 Prozent der Wälder.“

Bringen würde das Verbot nichts, so der Nabu: „Einfache Waldbesucher tauchen als Störquelle in den Statistiken kaum auf.“ Dies hatte auch das Landwirtschaftsministerium eingeräumt. Als wahre Störenfriede der Waldesruhe macht der Nabu andere aus: „Seeadlerschützer berichten, dass Störungen in der Brutzeit vor allem durch Aktivitäten der Waldbesitzer in Horstnähe verursacht werden.“

In den vergangenen Jahren hätten Spaziergänger Fälle gemeldet, bei denen geschützte Tiere vergiftet oder erscchossen wurden. „Mit dem eingeschränkten Betretungsrecht wird solcher Naturfrevel nicht mehr öffentlich werden“, fürchtet Ludwichowski. Aus staatlichen Wäldern seien solche Verfehlungen dagegen nicht bekannt.

Die Opposition reagierte ablehnend auf den Gesetzesentwurf: „Grundsätzlich soll der Wald frei zugänglich sein“, sagte Günther Hildebrand (FDP). Von Boetticher erweise sich als „Diener der Waldbesitzer- und Jägerlobby“, so der Grüne Detlef Matthiessen. ESTHER GEISSLINGER