Digitale Erinnerungen verursachen Krise

Ilford meldet Konkurs an, Agfa verkauft seine Fotosparte, Fuji beklagt Verluste: Die Folgen des weltweiten Vormarsches der Digitalkameras kann man nur als Krise bezeichnen. Jüngste Opfer: zehn Fotolabors, die Kodak gerade erst verkauft hatte

VON JULIANE GRINGER

„Kodak stinkt zum Himmel“, findet Udo Demond. Hat er auch auf seiner Homepage www.gewissen-vom-rhein.de geschrieben. Der Stuttgarter ist einer von rund 1.400 Mitarbeitern aus zehn Fotolabors, die Kodak Ende 2003 verkaufte – an ein angeblich solventes Unternehmen, die Heidelberger „BHG Color & Print GmbH & Co.KG“. Die Labore wurden zur KFS Fotolabore GmbH zusammengefasst. Im Mai dieses Jahres musste sie Insolvenz anmelden. Einen Monat später folgte die BHG, die mit der KFS immerhin einen Marktanteil von 31 Prozent abdeckte und damit Deutschlands zweitgrößter „Fotofinisher“ war, also Papierabzüge, Filme entwickeln. Insgesamt 2.400 Mitarbeiter wurden wie Udo Demond arbeitslos, diese Woche schließen die letzten Betriebe in Regensburg, Lingen, Wiesbaden und Leipzig.

Kodak ist nicht das erste Fotounternehmen, das in die Krise gerät. Der Markt der Digitalfotografie wächst rasant, das Geschäft mit chemischen Filmen ist rückläufig. 2003 wurden 2 Millionen analoge, aber 4,9 Millionen digitale Kameras verkauft – in diesem Jahr sollen es laut Fuji 7 Millionen sein. 2003 wurden auch nur noch 5,5 Milliarden Fotos entwickelt. Drei Jahre zuvor waren es noch 6,1 Milliarden. Hinzu kommt die anhaltende Reiseflaute. Hart getroffen hat es neben Kodak auch Agfa-Gaevert. Der belgische Bildtechnikspezialist verkauft seine Fotosparte an eine Investorengruppe. Der abgespaltene Teil, die künftige AgfaPhoto GmbH, kehrt mit seiner Zentrale an den langjährigen Stammsitz in Leverkusen zurück.

Der weltweit zweitgrößte Fotofilmhersteller Fuji hat im abgelaufenen Quartal knapp acht Prozent Gewinn eingebüßt. Und das, obwohl die Japaner bereits umbauten, ihren Schwerpunkt auf Digitalkameras oder Bürogeräte ausrichteten. Auch Fotoentwickler Cewe Color verzeichnete im zweiten Quartal dieses Jahres einen Gewinneinbruch.

Beim britischen Traditionsunternehmen Ilford, bekannt für Schwarz-Weiß-Filme und Fotopapier, hat schon der Konkursverwalter die Regie übernommen. 740 britische Beschäftigte sind betroffen. Die Nachfrage nach Schwarz-Weiß-Filmen und zugehörigem Fotopapier war in den vergangenen sieben Monaten um 26 Prozent gefallen, der schwache Dollar ist Geschäftswährung des Betriebs: Die Schulden wuchsen auf umgerechnet gut 60 Millionen Euro. Ilford – Weltmarktanteil bei Schwarz-Weiß-Filmen 60 Prozent – hofft nach Streichung von 330 Stellen auf einen Käufer.

Für die ehemaligen Kodak-Fotolabore kommt inzwischen jede Hilfe zu spät. Bei den Mitarbeitern bleibt das Gefühl zurück, benutzt worden zu sein. Roswitha Ramin, Gesamtbetriebsratsvorsitzende und ehemaliges Aufsichtsratsmitglied bei Kodak, wirft dem Fotokonzern vor, dass die Mitarbeiter an ein Pleiteunternehmen verschachert, ihnen Informationen vorenthalten und sie nicht angemessen entschädigt wurden. „Der Fonds für die Abfindungen enthält nur 6,2 Millionen Euro. Da bekommt jeder Mitarbeiter gerade mal 4.500 Euro“, kritisiert sie. Laut Presseberichten soll die BHG 50 Millionen Euro Schulden haben. „Das muss Kodak doch gewusst haben.“ Geschäftsführer Rainer Dick verneint das: „Unsere Entscheidung, mit dem Verkauf der Labore an die BHG eine neue wettbewerbsfähige Laborgruppe zu schaffen, war zum Zeitpunkt des Verkaufs die vielversprechendste Lösung.“

Nach der Pleite der BHG bot Kodak den Laboren ab Mai wieder ihre Unterstützung an. Sie wollte sie bis zu einem halben Jahr lang aufrechterhalten, um vertraglich geregelte Kundenaufträge sicherzustellen und schließlich auch ihre eigenen Papiere und Chemikalien an die Labore zu verkaufen. Diesen Vertrag hat das Fotounternehmen jedoch schon nach vier Monaten, zum 31. August, gekündigt, weil Großkunden durch die Insolvenz abgeschreckt waren.