Alstom: Rettung mit 8.000 Arbeitslosen

Obwohl die EU-Kommission dem französischen Rettungsplan für Alstom zustimmte, ist dessen Zukunft nicht gesichert

PARIS taz ■ Achterbahn an der Pariser Börse: Als erste Reaktion auf den 3,2 Milliarden Euro schweren franco-europäischen „Rettungsplan“ für den hoch verschuldeten Giganten Alstom schnellte gestern der Kurs um neun Prozent in die Höhe. Wenig später stürzte er um zwölf Prozent. Weitere Überraschungen spekulativer Art dürften folgen. Denn bislang steht lediglich fest, dass die Banken mit Ausgabe von Obligationen den größten Teil des Finanzierungsplanes tragen werden. Offen ist, ob die Wettbewerbshüter Frankreich gestatten, seine als Kredit gewährte Unterstützung in Aktien zu verwandeln.

An den französischen und anderen europäischen Standorten von Alstom, wo zurzeit noch 105.000 der insgesamt 118.000 Beschäftigten des Konzerns arbeiten, herrscht vor allem Skepsis. Denn weder EU noch Regierung noch die 32 Gläubigerbanken haben irgendetwas über die Zukunft der Alstom-Standorte oder -Jobs gesagt. Nach einer industriellen Strategie für die Zukunft fragten allein Gewerkschaften. Doch die bekamen keine Antwort.

Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Francis Mer drückte sich gestern vor Angaben zu industriellen Plänen. Nachdem in Brüssel am Vortag die Streichung von weltweit 8.000 Jobs – davon 5.000 in Europa – die Rede gewesen war, sprach Mer gestern lediglich von Umstrukturierungen, die es „wahrscheinlich“ geben werde. Zugleich versicherte der Minister, er habe „Vertrauen zu dem Management“ von Alstom.

Dieses Management hatte im März einen ersten tiefen Einblick auf das von ihm erwirtschaftete katastrophale Geschäftsergebnis gegeben. Im Geschäftsjahr 2002–03 machte Alstom danach einen Umsatz von 21 Milliarden Euro und einen Nettoverlust von 1,4 Milliarden Euro. Seither folgten weitere Hiobsbotschaften aus der Chefetage. Im August stand der Konzern vor dem völligen Aus. Er war aus eigener Kraft nicht mehr in der Lage, die in diesem Jahr und den kommenden Jahren fälligen Schulden zu zahlen, die das Management in den 90ern angehäuft hat.

Alstom hat drei große Standbeine: Hochgeschwindigkeitszüge, Kraftwerke – darunter auch AKWs – und der Schiffsbau. Ganz besonders schlecht geht es Letzterem, derzeit Brotgeber für 4.000 Menschen. Dort kam in diesem Jahr lediglich ein neuer Auftrag: eine Fähre im Ärmelkanal. Das vorerst letzte große Kreuzfahrtschiff, die „Queen Mary II“, das auf den traditionsreichen Werften von Saint-Nazaire in Westfrankreich gebaut wird, läuft Ende des Jahres vom Stapel. Für die Zeit danach gibt es keine Perspektive. Neben konjunkturbedingten Einbußen und Konkurrenz aus den Billigländern trägt zur Auftragsflaute auch der seit dem 11. September 2001 stagnierende Tourismus zur See bei. Die Beschäftigten des Konzerns fürchten, dass die Gläubigerbanken auf ein radikales Streichprogramm drängen. Im Hintergrund lauert unter anderem der europäische Hauptkonkurrent – Siemens. Der deutsche Konzern hat Anfang 2003 Alstoms mittlere Turbinenfertigung für 1,1 Milliarden Euro aufgekauft. Als Nächstes könnten die großen Turbinen dran sein. Im Gespräch ist auch die Fusion von Alstom mit anderen Konzernen. DOROTHEA HAHN