Bischof warnt vor Panikmache

Montagsdemonstrationen in Leipzig und anderen Städten. Lafontaine wird von Pfiffen und Eierwurf empfangen. Sachsens Landesbischof nimmt Hartz IV in Schutz

LEIPZIG epd/dpa/ap ■ Unmittelbar vor der gestrigen Anti-Hartz-Demonstration in Leipzig hat der sächsische Landesbischof Jochen Bohl die Teilnehmer zu Friedfertigkeit und Besonnenheit aufgerufen. Es könne keine Rede davon sein, dass Deutschland mit den Hartz-Reformen aufhört, ein Sozialstaat zu sein, betonte der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in der Nikolaikirche der Messestadt.

Als Prediger im ersten Friedensgebet nach der diesjährigen Sommerpause erklärte er vor den über 2.000 Teilnehmern, die Sozialreformen würden allein in Sachsen 130.000 erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger besser stellen. Menschen in Arbeit zu bringen sei „wichtiger als die Sicherung eines einmal erreichten Lebensstandards“, sagte der Bischof zum umstrittenen Hartz-IV-Gesetz. Nachdrücklich warnte er zudem vor Extremisten, die nur die Ängste der Betroffenen ausnutzen wollten.

Während des Friedensgebets sammelten sich tausende Demonstranten auf dem Platz vor der Nikolaikirche. Überwiegend mit Pfiffen wurde der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine dort empfangen. Es wurde auch ein Ei geworfen, das den Politiker aber um einige Meter verfehlte. Lafontaine begleitete die Montagsdemonstration. Veranstalter war erstmals das Aktionsbündnis für soziale Gerechtigkeit. Der Auftritt des Politikers hatte bei den Veranstaltern der Proteste zu Streit geführt. Am vergangenen Montag waren in Leipzig rund 20.000 Menschen auf die Straße gegangen.

Vor den Demonstrationen, die auch gestern Abend wieder in vielen Städten Ost- und Westdeutschlands stattfanden, hatten Politiker vor einer neuen Ost-West-Spaltung gewarnt. Bundeskanzler Gerhard Schröder betonte: „Niemand, der verantwortlich politisch arbeitet, kann irgendein Interesse an einem Ost-West-Gegensatz haben.“ Schröder sagte in der ARD, die Menschen in Ostdeutschland hätten große Aufbauleistungen vollbracht. Sie hätten sich gewaltig umstellen müssen, anders als viele im Westen. Und CDU-Chefin Angela Merkel erklärte: „Solange wir die Schuld immer beim jeweils anderen suchen, gibt es die Gefahr, dass die Kluft zwischen Ost und West wächst.“