Vereint auf der Insel

Spiritus Rector Gerd Köhler vereinigt zerstrittene Hochschulpolitiker. Doch sein Lebensziel verfehlte er

Der Streit währt lange und ist scheinbar ausweglos: Wer darf in der Hochschulpolitik den Ton angeben – der Bund oder die Länder? Wer dieser Tage eine Antwort sucht, muss nicht bei der Regierung in Berlin nachfragen, nicht am Sitz der Kultusminister in Bonn oder bei Landesregierungen nachbohren. Keiner da, alle sind auf der Insel Sylt.

Hier treffen sich Staatssekretäre aus SPD- und Unions-regierten Ländern, auch der Koordinator der SPD-Wissenschaftsminister, Jürgen Zöllner, kreuzt auf, und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat viele und wichtige Leute vor Ort. „Einmal im Jahr liegt hier das Gravitationszentrum der deutschen Hochschul- und Wissenschaftspolitik. Und dass dies so ist, ist zum größten Teil Gerd Köhler zu verdanken.“

So steht es in einer „Festschrift zum 60. Geburtstag von Gerd Köhler“, die am Montag überreicht wurde. Gerd Köhler – wer? Offiziell ist Köhler Sprecher für Hochschulpolitik in der GEW-Spitze – und hinter den Kulissen einer der gewieftesten Einflüsterer in der universitären und Wissenschaftsszene. „In anderen Ländern wäre er längst Wissenschaftsminister“, sagte der Laudator über den Rhetoriker und spin doctor, der etwas Eigentümliches geschafft hat: Er bringt zusammen, was unvereinbar ist.

Die Regierungsverantwortlichen für die über 300 deutschen Hochschulen, deren Akteure, seien sie Kanzler, Präsidenten, oder/und in der GEW und dazu eine Gruppe, der Köhler früher selbst angehörte – die aufrührerischen Studenten. Anderswo sprengen die Rebellen Podiumsdiskussionen. Hier bei Köhler sitzen sie brav in ihren Reihen und arbeiten. Meistens.

Köhler selbst war anders. Er kämpfte als Chef der Vereinigten Deutschen Studentenschaften um die „Öffnung der Hochschulen für die Kinder der Arbeiterklasse“. Was wie eine Floskel der 68er klingt, ist aktuell wie selten: Die Hochschulen sind heute, gemessen an ihrer Sozialstruktur, astreine Eliteunis (siehe links). Von Bildungsgerechtigkeit kann keine Rede sein. Gerd Köhler hat sein Ziel noch nicht erreicht. CIF

„Hochschule gestalten. Festschrift zum 60. Geburtstag von Gerd Köhler“. Univerlag Webler Bielefeld 2004. 375 Seiten, 28 €