Jenseits des Geschlechterkampfs: Das „Cowboy Kollektiv“ in der Weltbühne
: Wenn Männer zuviel zicken

Wenn junge Männer ein Duo gründen und es Cowboy Kollektiv nennen, dann rufen sie die Männlichkeitsforschung auf den Plan. Dabei legt das Cowboy Kollektiv Fallen. Da ist der Widerspruch zwischen der Figur des „Cowboys“, der sich ja dank der üblichen Bilder längst als der einsame Reiter in die Hirne eingebrannt hat, und der Vorstellung vom „Kollektiv“. Wo man sich „einbringt“, um in irgendeiner Form eine soziale Harmonie herzustellen.

Das Berliner Cowboy Kollektiv, so viel zeigt seine erste gleichnamige Platte, benutzt den Begriff „Kollektiv“ als reine Lautmalerei, um den „Cowboy“ noch mal zu unterstreichen. Auf der Suche nach dem Stabreim haben diese Männer um die Dreißig zusätzlich einen Treppenwitz eingebaut: Kollektive gibt es nicht in ihrer Welt.

Wenn Steffen Krüger „Wi-hi-hi-hie-r sollten glückliche-he-r sein“ singt und dabei in seinen Tremolos ansatzweise jodelt, dann meint er immer nur das Liebes-Wir. Wer darin eine Metapher für die schöne Gesellschaft sehen möchte, der oder die hat das Leben zu lange in K-Gruppen und WGs verbracht. Denn wenn der „Cowboy“ im Namen überhaupt für etwas steht, dann für das ewige Ziehen und Weiterziehen im Leben des Singles.

Dieser Kampf ist schon kompliziert genug, so erzählen die Lieder des Duos. Durchaus haben Songs wie „Ich von Dir“ etwas vom Hetero-Sozialdarwinismus aus Allegra und Men‘s Health. Doch statt stereotypischer Abbildungen perfekter Männerkörper und magersüchtiger Frauen bleibt dem Cowboy Kollektiv die Musik zur Interpretation des Textes. Versöhnlich spielen die Akustik-Gitarren von Krüger und Oliver Gimbel ihre Moll-Harmonien. Es ist halt so, es ist gerade kein Kampf, sondern eine traurige Gesetzmäßigkeit, so singt Krügers Stimme: „Gelangweilt und nicht mehr verliebt.“ Der Single zieht weiter. Eine Wehmut, es möchte nicht so richtig klappen mit der langfristigen Liebe, durchzieht die gesamte Platte. Immer wieder tauchen zwar diese Hoffnungen auf, jemand werde „heimkommen“ und das singende Ich „satt und glücklich“ machen. Oder jemand bezahle alle Schulden.

Dennoch, das Lamentieren haben Cowboy Kollektiv von ihren amerikanischen Musikvorfahren gründlich gelernt. Es hat natürlich nichts vom Leben-oder-Tod-Heulen des Blues. Sie machen sich glaubwürdig, indem sie für das Wehklagen eine der mitteleuropäischen Mittelschicht angemessene Form finden: Es wird zwar irgendwie nie richtig toll mit unserem Leben, doch wir sind grundgesichert. Wir stehen immer kurz vor Hartz IV, doch da sind ja noch unsere Eltern und das, was sie einmal hinterlassen werden.

Ähnlich behandelt die Gruppe ihre Musik. Ob man sich dem Bluegrass der Stanley Brothers annimmt oder dem Gottes-Folk des Hank Williams Jr.: Man zeigt sich in erster Linie als Fan. Diese Begeisterung ermöglicht dann den großen Spaß, den Cowboy Kollektiv bei all den Niedergeschlagenheiten immer mitschwingen lassen. Es geht nicht um das Auseinandernehmen von Traditionen, noch um deren totales Imitieren. Eher zeigen Cowboy Kollektiv den ganzen Irrsinn, der hinter Musik-Genrefizierungen steckt.

Vor ein paar Jahren noch spielten Gimbel und Krüger bei der Berliner Band niedlich 666. Damals schrieben sie sehr eigene Songs, die sich auch schon ein so gedachtes „Genre“ aneigneten: Britpop mit deutschen Texten. Bereits mit dieser Gruppe erzählten Krüger und Gimbel ganz ähnliche Geschichten – Musik von empfindsamen jungen Menschen, die auch mal zickig werden. So klärt sich auch die Frage, was die Existenz des Cowboy Kollektiv bedeutet. Die Antwort lautet: Heute gibt es Männer, die sich gegenseitig auch mal mit „Kuh“ anreden. Von „blöde Kuh“ bis „heilige Kuh“ ist alles möglich. Christoph Braun

Montag, 21 Uhr, Weltbühne, im Vorprogramm von Paula