Wer sehen will, sollte auch hören

Ein alter Schnack unter Filmschaffenden geht so. Die Ausgangssituation: ein einsam im Meer treibendes Boot mit Schiffbrüchigen. Meint der Regisseur, dass bei der Szene auf die Musik doch verzichtet werden könne. Denn wo sollte da um Himmels willen Platz für ein Orchester sein? Gern, meint der Komponist. Aber nur, wenn ihm der Regisseur mal erklären würde, wo zum Teufel denn die Kamera herkommt.

Aber über solche Sachen soll man sich im Kino gar nicht wundern. Man hat sich daran gewöhnt, dass Bild und Ton im Film gemeinsam ihren Auftritt haben. Dass sie sich aufeinander beziehen. Gewohnheitsrecht scheint zu sein, dass das Bild die Richtung vorgibt. Wenn aber die Balance verrutscht, der Ton dem Bild hinterherhinkt. Dem Bild gar widerspricht oder ganz sein eigenes Ding drehen will? Dann wird es asynchron. „Asynchron“ ist auch der Titel einer Filmreihe im Arsenal, in der bis zum 27. September mit Filmprogrammen und Installationen ein Kino präsentiert wird, das Ton und Bild als gleichwertige Protagonisten versteht. Dabei sollen nicht die Qualitäten von Bild und Ton im Vordergrund stehen. Sondern fundamentaler: ihre Aussagekraft durch radikale An- oder Abwesenheit.

Das ist dann ein Spielfeld, auf dem sich vor allem der Experimentalfilm umschaut. Aber natürlich lassen sich die Bild-Ton-Verhältnisse auch an jedem Beispiel des „Normal“-Kinos diskutieren: Am heutigen Donnerstag steht dabei im Arsenal „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ (19.30 Uhr) auf dem Programm, Fritz Langs erster Tonfilm, in dem der Regisseur dem Ton gleich sein eigenes narratives Potenzial einräumte. Da ist etwa eine Mutter zu hören, die den Namen ihres Kindes ruft, während in dem Moment die Kamera das verlassene Treppenhaus, einen leeren Speicher, eine Vorstadtöde, einen Luftballon zwischen Telefondrähten zeigt. Ton und Bild umkreisen so den Mord.

Am Montag, 6. September, hat bei der „Asynchron“-Reihe der Ton schon deswegen Vorrecht, weil an diesem Abend gleich zwei Veranstaltungen mit Gästen angesetzt sind. Um 19 Uhr kommt es unter dem Motto „Sound of Silence“ zum Künstlergespräch zwischen Dirk Schaefer und Eunice Martins, im visuellen Teil werden dazu Experimental- und Stummfilme (darunter ein Beispiel von Laszlo Moholy-Nagy) präsentiert. Um 21 Uhr stellt dann Bjørn Melhus seine Bild-Ton-Experimente vor und spricht über seine Arbeit. TM