Terroropfer von Djerba verklagt TUI

Müssen Reiseveranstalter Touristen vor möglichen Terroranschlägen warnen? Juristisch gesehen trifft den TUI-Konzern wohl keine Schuld – aus Imagegründen wird er wahrscheinlich trotzdem Schmerzensgeld für eines der Opfer von Djerba zahlen

„Der TUI kann man keine konkrete Schuld vorwerfen“

AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES

An dem Schmerzensgeldprozess eines Opfers der Terroranschläge auf Djerba gegen die TUI hängt das Image des Touristikkonzerns. Der fünfjährige Adrian Esper aus Bergkamen, dessen Haut bei dem Anschlag auf der tunesischen Inseln Djerba zu mehr als vierzig Prozent verbrannte, hat die TUI-Tochter „1-2-Fly“ verklagt. Er verlangt 100.000 Euro Schmerzensgeld und monatlich weitere 800 Euro für seine Pflege. Gestern hat der Prozess vor dem Landgericht Hannover begonnen.

Die TUI-Tochter – so argumentieren die Anwälte Espers – hätte mit einer terroristischen Gefahr in Tunesien rechnen und vor der Bustour zum besonders gefährdeten Ort des Anschlages, der Synagoge La Ghriba, warnen müssen.

Vor dem Anschlag im April 2002, dem 21 Menschen zum Opfer fielen, hatte die Familie Esper bei 1-2-Fly eine Pauschalreise gebucht. In Tunesien machte sie einen von der TUI-Tochter angeboten Busausflug mit, bei dem sie die Synagoge besuchten. Vom Schicksal des fünfjährigen Jungen, der in der kommenden Woche eingeschult wird, blieb auch die Vorsitzende der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover, Britta Knüllig-Dingeldey, nicht unbeeindruckt. Fotos von Adrian zeigten, „wie der Junge gelitten hat, wie er für sein Leben gezeichnet ist“, sagte sie. Das Kind sei „sein Leben lang auf Hilfe angewiesen“.

Der TUI könne man aber nur einen Schuldvorwurf machen, wenn sie „aufgrund konkreter Anhaltspunkte“ mit einer terroristischen Gefahr hätte rechnen müssen. Das Gericht werde dabei zum einen berücksichtigen, dass es seinerzeit keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Tunesien gegeben habe. Des weiteren blieben zahlreiche Busreisen zur Synagoge ohne Störungen.

Adrian Espers Anwälte, Burghardt Lau und Andreas Schulz, haben versucht, Indizien für eine bereits vor dem Anschlag erkennbare Terrorgefahr zusammenzutragen. Sie verweisen darauf, dass die Synagoge im Vorfeld des Anschlags einen Tag geschlossen war und dass beim Gouverneur von Djerba über zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für das Gebäude beraten wurde. Auch konkrete Attacken auf europäische Urlauber habe es gegeben, so Rechtsanwalt Lau.

Der Vater Michael Esper, der Geschäftsführer des „Deutschen Opferschutzbundes Djerba e. V.“ ist, betonte vor Gericht: „Wenn wir diese Informationen gehabt hätten, wären wir nie zu der Synagoge gefahren.“ Sein Opferschutzbund wolle das Reisen insgesamt sicherer machen. Informationen über Gefahren dürften nicht länger nur zwischen Veranstaltern und Ämtern ausgetauscht werden.

In den Augen des TUI-Anwalts stellte sich die damalige Situation ganz anders dar. Unruhen habe es gar nicht gegeben. Lediglich hätten Jugendliche bei einer Demonstration mit Steinen geworfen, so Rechtsanwalt Alfred Pesch. Auch in den Berichten der 700 tunesischen TUI-Mitarbeiter sei von besonderen Gefahren nicht die Rede gewesen.

Die Anwälte der Familie Esper wollen nun die kommenden „drei, vier Wochen für diskrete und intensive Vergleichsgespräche“ nutzen. Nur wenn die finanziellen Vorstellungen nicht zur Deckung zu bringen sind, spricht Richterin Knüllig-Dingeldey Ende Oktober ihr Urteil. Das Kind hat bereits 350.000 Euro von der Bundesregierung und aus Tunesien erhalten.