Strukturwandel im Dreckschleudern

Die Serie zur NRW-Kommunalwahl am 26. September. Heute: Kleinkrieg in der Ex-Bergbauhauptstadt Europas

Herten?

Sucht Wahlhelfer für die anstehenden Kommunalwahlen und zahlt dafür ein „Erfrischungsgeld“ von 16 Euro. Bei 68.000 Einwohnern in der ehemals größten Bergbaustadt Europas sollten sich genügend melden. Wer es nicht tut, kann alternativ helfen, „Herten stubenrein“ zu machen. Immerhin werden in der Stadt 900 Kilo Hundekot pro Tag „produziert“. Auch ansonsten ist die Stadt mit dem Strukturwandel beschäftigt. Eines der wichtigen Projekte der Wirtschaftsförderung ist die Umnutzung des ehemaligen Zechengeländes „Ewald 1/2/7“ in Herten-Süd. Oberstes Ziel bei der Neunutzung ist die Ansiedlung von arbeitsplatzintensiven Unternehmen aus dem Dienstleistungs- und Produktionsbereich.

Wer hat was zu verlieren?

Die Bürger in Herten. Im Wahlkampf dominieren persönliche Vorwürfe und angebliche Hetzkampagnen der Kandidaten gegeneinander. Politische Inhalte fehlen.

Wer regiert im Rathaus?

Klaus Bechtel, SPD. Ab 1994 Stadtdirektor, seit 1999 mit einer Mehrheit von 52 Prozent Bürgermeister.

Wer will da rein?

Der politikmüde Bechtel wird nicht wieder antreten, er wechselt in die Wirtschaft. Für die SPD kandidiert Nachwuchstalent Uli Paetzel, 32 Jahre alt – angeblich mit satten Wahlkampfgeldern der NRW-SPD unterstützt. Die CDU hat den 29-jährigen Tobias Köller nominiert.

Was gibt es im Wahlkampf außer Kugelschreibern?

Kleinkrieg zwischen den Bewerbern um das Bürgermeisteramt. Die Kandidaten von SPD und CDU beharken sich seit Monaten, allerdings nicht unbedingt auf politischer Ebene. Das ehemalige Schillpartei-Mitglied – davor Parteigänger der CDU und aktuell gerade bei der Pro-Bürger-Partei – Borsu Alinaghi liefert dazu Schützenhilfe im konzeptlosen Grabenkampf: Er redet von „Kommunisten“ und meint die SPD. Die Genossen fühlen sich dafür von der Konkurrenz in Stasi-Manier bespitzelt.

Wer hat die schönstenWahlplakate?

Die Frage in Herten ist nicht, wer die schönsten hat. Eher, wer sie wann, wie und wo aufgehängt hat. Die Sozialdemokraten hatten ein paar Tage zu früh mit der Plakatierung angefangen. Durfte sie nicht, sagt die Pro-Bürger-Partei. Durfte sie doch, sagt ein Ministeriums-Erlass. Wieder Zoff.

Die taz-PrognoseEchtes Profil hat keiner der beiden jungen Bewerber. Man darf also gespannt sein, wie es ausgeht.

ALEXANDER BÖER