Der erste Schulbeginn ohne Kopftuch

Seit gestern ist in Frankreich das Gesetz gegen das ostentative Tragen religiöser Zeichen in Kraft. Nur wenige Mädchen kommen bedeckt. Keines fliegt sofort aus dem Unterricht. Eine muslimische Delegation hält sich derweil in Bagdad auf

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Am ersten Tag des ersten Schuljahres ohne Kopftücher hastete der französische Erziehungsminister François Fillon gestern von einer Schule zur nächsten. An jeder lobte er den französischen Laizismus als „modernes Prinzip von Freiheit und Toleranz“ und als „beste Form, um die religiöse Freiheit zu respektieren“. Das heikle Thema „Kopftuch“ vermied er. Die sonst zur rentrée der zwölf Millionen SchülerInnen und der halben Million Beschäftigten in den staatlichen Schulen übliche Pressekonferenz verschob er.

„Wir werden zeigen, dass die Schule der Republik eine große Kraft in unserem Land ist“, hatte Fillon wenige Tage zuvor im Ministerrat erklärt. Die LeiterInnen der 53.000 staatlichen Schulen im Land wies das Erziehungsministerium an, sie sollten vorsichtig mit dem Thema „Kopftuch“ umgehen. Die LehrerInnen und ihre Gewerkschaften habe ohnehin genug andere Probleme: überfüllte Schulklassen, die Reduzierung von Stellen für LehrerInnen und Aufsichtspersonen und Materialmangel.

Das Gesetz, das ostentative religiöse Zeichen im Unterricht verbietet, ist längst in konkrete Regeln umgesetzt worden. Kurz nachdem das Parlament das Gesetz am 15. März fast einstimmig verabschiedet hatte, änderten die staatlichen Schulen ihre Hausordnungen. Alle untersagen fortan das Tragen von Kippas, großen Kreuzen und Kopftüchern. Einige haben das Verbot auf sämtliche Kopfbedeckungen ausgedehnt.

Wie üblich standen gestern Morgen LehrerInnen an den Schultoren. Um die SchülerInnen zu begrüßen, um verbotene Gegenstände zurückzubehalten und um etwaige Verstöße gegen das neue Gesetz zu finden. „Keine Schülerin wird umgehend von einer staatlichen Schule verwiesen“, hat der Erziehungsminister erklärt. Vor einem Schulverweis sieht das Gesetz Vermittlungsgespräche mit Schülerinnen, Eltern und VertreterInnen der örtlichen Moschee vor.

Beeindruckt von der Geiselnahme im Irak haben viele Schülerinnen in Frankreich vorerst auf das islamische Kopftuch verzichtet. Bis gestern Mittag waren nur ein paar dutzend Mädchen im ganzen Land bekannt, die direkt vom Schultor zu einem Informationsgespräch mit eineR VertreterIn der Schulleitung gebeten wurden. Thema: das neue Gesetz und die Republik. Anschließend legten mehrere Mädchen das Kopftuch ab.

Einer der französischen Gegner des Gesetzes gegen ostentative religiöse Zeichen hielt sich derweil in Bagdad auf. Gleichzeitig mit dem Schulbeginn hatten Fouad Alaoui, Generalsekretär der muslimischen Organisation UOIF, zusammen mit zwei anderen Männern vom französischen Muslimrat einen Termin mit dem Rat der Ulema. Alaoui, der lange gegen das Laizismusgesetz gewettert und Mädchen Rechtsschutz für einen etwaigen Verstoß dagegen angeboten hat, wollte in Bagdad religiöse Unterstützung gegen die Entführer der beiden französischen Journalisten suchen. Seit vergangenem Montag erklärt Alaoui öffentlich, dass er und seine Organisation das Gesetz selbstverständlich respektieren: „Weil es ein Gesetz der Republik ist.“