Keine Scharmützel bei grüner Klausurtagung

Grüne verkneifen sich Änderungsanträge zu Hartz IV. Parteivize Ströbele wird wahrscheinlich wieder gewählt

BAD SAAROW taz ■ Christian Ströbele hat einen Wunsch. „Ich hoffe, dass die Fraktionssitzung am Montag rechtzeitig zu Ende sein wird“, sagt der personifizierte linke Flügel der Grünen im Bundestag. „Denn danach will ich wieder demonstrieren gehen.“ Ströbele weiß, dass er mit solchen Ankündigungen provoziert. Doch die Grünen wollen sich diesen Aufreger wohl weiter leisten. Es sei „unwahrscheinlich“, dass Ströbele am Montag als Vize abgewählt werde, heißt es von allen Seiten. „Wir können uns sehr gut vorstellen, weiter zusammenzuarbeiten“, sagte gestern auch Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt zum Abschluss der Klausurtagung der 55 grünen Bundestagsabgeordneten im brandenburgischen Bad Saarow. Die „Zusammensetzung als Gesamtvorstand“ habe sich bewährt, „auch mit denen, die der Mehrheitsmeinung manchmal widersprechen“.

Erfolg macht eben gelassen. Göring-Eckardt hatte am Mittwochabend, beim ersten Teil der Vorstandswahlen, 46 Stimmen bekommen und war ebenso wie ihre Chefkollegin Krista Sager (48 Stimmen) ohne Gegenkandidaten wieder gewählt worden. So gut hatte vorher noch nie ein grünes Führungsduo abgeschnitten. Unangefochten blieb auch Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck (46 Stimmen), der als Vertreter des gemäßigt linken Lagers gilt. Ströbele gilt keineswegs als gemäßigt. Trotzdem wäre der Schaden, der durch seine Abwahl entstünde, größer als der Nutzen. Das sagen auch jene Grüne, denen sein demonstratives Rebellentum auf die Nerven geht. Es sei „ein Witz, dass der so eine Funktion hat, wo er für die Fraktion spricht“, wird gelästert.

Doch die Befürchtung ist, dass sich Ströbele sonst auf dem Parteitag Anfang Oktober rächt und das tut, worauf er gestern bei der Klausurtagung in Bad Saarow am Scharmützelsee verzichtet hatte: für Aufruhr sorgen, flammende Reden halten und weitgehende Änderungsanträge stellen. Einige mutmaßten, er habe sich zurückgehalten, um seine Wiederwahl abzusichern. Er selbst sagte der taz: „Ich hätte es für besser gehalten, wenn wir ein Papier beschlossen hätten.“ Es sei aber „der falsche Zeitpunkt“ gewesen, einen Hartz-Korrektur-Antrag zu stellen. In der Diskussion habe sich gezeigt, dass nur „ein halbes Dutzend“ Abgeordnete zugestimmt hätte.

So blieb es bei einem Beschluss zur Pflegeversicherung, bei dem die Fraktion zähneknirschend dem Vorschlag von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zustimmte. Über die Tschetschenien-Politik des Bundeskanzlers verloren die beiden Fraktionschefinnen bei ihrer Bilanz kein Wort. Erst auf Nachfrage erklärte Göring-Eckardt, es habe sich bei den Wahlen in Tschetschenien „nicht um transparente und faire Wahlen“ gehandelt. LKW