Reflex auf die Gesellschaft

Kurzes Leben, wenig Ruhm? Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen zeigt in der Kunsthalle Düsseldorf posthum den Maler und Performer Josef Kramhöller, der in München und London lebte

VON PETER ORTMANN

Who the fuck is Josef Kramhöller? Was hat der deutsche Künstler mit dem britischen Theaterstar Sarah Kane zu tun? Eigentlich nichts und doch vieles. Beide sind tot, beide haben sich relativ zeitgleich in London umgebracht, beide scheiterten am Ende an einer Gesellschaft, deren Fehler sie beschrieben, deren Unentrinnbarkeit sie ein Schnippchen schlugen. Beide waren auf ihre Art chaotisch, brutal offen, umstritten. Einziger Unterschied: Kane war kurze Zeit ein Star, Kramhöller ist fast unbekannt geblieben.

In der Kunsthalle in Düsseldorf tobt der Bildhauer Fritz Schwegler. Drei Stockwerke zeigen den emeritierten Düsseldorfer Kunstlehrer, der sich wieder in sein winziges Heimatdorf im Württembergischen zurückgezogen hat. Großer Bahnhof, überregionale Presse, dicker Katalog, was eben dazu gehört. In der Kunsthalle in Düsseldorf hat aber auch der Kunstverein der Stadt einen nüchternen Raum, der manchmal, bei Ausstellungen mit großen Namen um ihn herum, wie eine entfernte Galaxie wirkt. Hier hängen die Werke aus dem Nachlass von Josef Kramhöller, der wie Schwegler aus einem kleinen Dorf stammt: Wasserburg am Inn. Sein Vater war Knecht, den Sohn zog es zur Kunst. Akademie in München, Stipendium in London, eigentlich sieht alles normal aus. War es aber nicht. Kramhöller litt. An seiner sozialen Lage, vielleicht auch am ausbleibenden Ruhm, Kramhöller litt an der Gesellschaft, litt an der Kunst. Er kämpfte gegen Atemnot und er kämpfte gegen seine Vorgänger, Vordenker, Vormaler. Sein erhaltenes Bild-Werk erscheint auf einen flüchtigen Blick wirre, sperrig, auf einen forschenden Blick schnell auch beklemmend. Theaterfrau Sarah Kane kommt hier wieder in den Sinn.

Der deutsche Künstler, der das englische Schulsystem analysierte, der nur 31 Jahre alt wurde, der nach Aussagen seiner Freunde vereinnahmend war, bis zur Ablehnung des Beglückten, der sich bei Diskussionen in der Akademie auch schon mal auszog, wollte sich von einer künstlerische Technik nicht beschneiden lassen. Er malte, er zeichnete, er schrieb, er fotografierte, er installierte, performte, Film, Video, Lesungen, ein Sohn, kaum Anerkennung, Geldnot, Tod. Kramhöller hat alles genutzt was die Welt hergab, er trennte nicht zwischen Kunst und Leben, „andererseits wurde er auch oft ausgegrenzt“ sagt seine Künstlerkollegin Amelie von Wulffen im Katalog-Interview. „Life is not funny“ – so hieß eine seiner ersten Performances. Räume, Figuren, Bühnenbilder sind in seinen skizzenhaften Arbeiten immer präsent. Sie entstanden für oder nach öffentlichen Auftritten. Malerei verknüpfte er mit Collagen aus Zeitschriften oder auch mit rektalen Vaseline-Punkten, die er, wegen der schlechten Haltbarkeit, bei Ausstellungen ständig nacharbeiten musste. Eine seiner letzten Zeichnungen ist die mit Filzstift schnell hingeworfene „Soziale Treppe“. Personen stehen bergauf, die Putzfrau fegt die Reste des Aufstiegs weg. Über allen steht die heilige Dreifaltigkeit, eher unbeteiligt, gelangweilt. Welchen Platz der Künstler sich auf dieser Himmelsleiter zugewiesen hat, steht in den Sternen, die Putzfrau der Gesellschaft kommt Josef Kramhöller wohl am nächsten.