Die Ramones vom Rio de la Plata

Cry for me, Argentina: Die argentinischen Punkrocker „Attaque 77“ sind in Buenos Aires populärer als die großen Genre-Vorbilder. Am Wochenende tourt das Quartett mit Punk in bester 1977er-Tradition durch Norddeutschland

Attaque 77 treffen den Nerv einer Generation von enttäuschten Jugendlichen

Eine Hommage an Joey Ramone gehört bei Attaque 77 zum guten Ton. In Buenos Aires halten sie die Fahne des Kultfrontmans von New Yorks Proto-Punkrockern Ramones hoch, deren Stil sie sich verschrieben haben. Nicht nur in ihrem Heimatland sind die vier Argentinier längst bekannter als alle Vorbilder, und Konzerte vor fünf- bis zehntausend Fans sind bei ihnen längst die Regel.

Mit ihrem melodischen Punkrock in bester 1977er-Tradition trafen sie den Nerv einer Generation von enttäuschten Jugendlichen, Konzerte gegen den Irakkrieg sind so selbstverständlich wie die Auseinandersetzung mit der Situation in ihrem Land. In „Cancion Inutil“ machen sie die Verschwundenen der argentinischen Militärdiktatur zum Thema, bei „Consejos del Abuelo“ klingt beißende Kapitalismuskritik durch – und eine Absage an die politische Klasse des Landes. Neben ihrem Sound haben solche Texte die 1987 gegründete Band weit über die Landesgrenzen bekannt gemacht. Eine Million verkaufter Alben und ungezählte kursierende Raubkopien sind dafür Beleg wie erfolgreiche Tourneen in den Nachbarländern, den USA oder auch in Spanien.

Die ersten Songs spielten Sänger Ciro Pertusi, Schlagzeuger Leo De Cecco, Bassist Luciano Scaglione und Gitarrist Mariano Martínez im zarten Alter von 15 Jahren ein, ihr erster Auftritt war 1987 im legendären „Cemento“ in Buenos Aires. Und eben dort verabschiedeten Attaque 77 auch ihr Idol Joey Ramone Anfang August 2000. Vor ihm, aber auch vor den Stiff Little Fingers und der Legion Urbana verbeugten sie sich auf ihrer erfolgreichsten Platte Otras Canciones, die ausschließlich Coverversionen enthält.

Neben solcher Idolpflege verfolgen die Attaque-Musiker andere Projekte: Luciano feilt mit seiner zweiten Band an David-Bowie-Coverversionen, während Leo sich mit lateinamerikanischer Perkussion beschäftigt. Für das Leben abseits von Attaque 77 bleibt indes immer weniger Zeit – daran hat auch das Hannoveraner Label Übersee-Records seinen Anteil. Die dortigen Spezialisten für härtere Klänge aus Lateinamerika organisierten die derzeitige zweite Deutschlandtournee von Attaque 77 – Pflichttermine für echte 77-Oldschool-Fans. KNUT HENKEL

Sonnabend, 21 Uhr, Café Glocksee (Glockseestr. 35), Hannover; Sonntag, 17 Uhr (!), Hafenklang (Gr. Elbstr. 84), Hamburg; Sonntag, 21 Uhr, Pumpe (Haßstr. 22), Kiel