„Wir sind kein Kegelverein“

Viele frühere LPGs haben sich in Agrargenossenschaften umgewandelt. Obwohl sich die DDR-Bauern gegen die Kollektivierung gewehrt hatten, wollten nach 1989 nur wenige wieder einen eigenen Hof

von STEPHAN ZIMMERMANN

Vor dem Chefbüro der Agrargenossenschaft Unterspreewald hängt ein riesiges Gemälde. Es zeigt die Kollektivierung der DDR-Landwirtschaft. Ganz links arbeitet der Landvermesser an der Bodenreform und eine hoffnungsfrohe Dorfgemeinschaft schaut ihm zu. Später fahren immer größere Maschinen über die Felder. Doch über den Hallen der LPG – ganz rechts im Bild – hängen schwarze Wolken.

„Der Maler hat schon 87 das Ende der DDR geahnt“, interpretiert Uwe Schiban das Gemälde. Erst seit ein paar Monaten sitzt der Mittdreißiger auf einem der beiden Chefsessel eines Unternehmens aus sieben Firmen im brandenburgischen Dürrenhofe, dessen zentraler Betrieb eine Genossenschaft ist. 70 Mitarbeiter stehen auf der Lohnliste, 32 davon bei der Genossenschaft. Auf 5.000 Hektar werden neben Milch, Getreide, Kartoffeln und Spargel auch Gurken samt Senf und Dill produziert.

Schibans Vorstandskollegin Rosalie Schönfeld – ebenfalls studierte Agrarökonomin – ist schon seit 36 Jahren im Betrieb. Als die Wende kam, war sie Buchhalterin, seit 1990 ist sie Vorstandsfrau. Damals, als es um die Neugründung des Betriebs ging, hatte ein Anwalt mehrere andere Unternehmensformen vorgeschlagen, erzählt Schönfeld. „Aber das war zu kompliziert. Eine Genossenschaft war wenigstens ungefähr so wie früher.“ Offenbar ging es nicht nur den LPGlern in Dürrenhofe so: Über ein Viertel der Felder Brandenburgs werden heute von Genossenschaften bewirtschaftet.

Am Anfang hatte die Genossenschaft in Dürrenhofe nur 14 Mitglieder – vor allem wohl auch deshalb, weil die Anteilsscheine 4.000 D-Mark kosteten. „Wir sind doch kein Kegelverein, haben wir damals gedacht“, begründet die Chefin den hohen Preis. Inzwischen zählt die Genossenschaft 21 Mitglieder – Mitarbeiter, aber auch Rentner und der Tierarzt.

Der Kraftfahrer Manfred Polosy war einer der Gründer. „Mir ging es um die Arbeitsplätze.“ Als ehemaliges LPG-Mitglied hatte er, genau wie seine 300 KollegInnen, eine Beteiligung am Wertzuwachs bekommen. Lange hat Manfred Polosy damals mit seiner Frau am Küchentisch gegrübelt, ob er 4.000 D-Mark in den neuen Betrieb einbringen sollte: „Die ersten Westmark auf dem Konto – und dann sollten wir die gleich wieder weggeben.“ Viele haben das Geld konsumiert. Polosy entschied sich anders.

Wieder einen eigenen Hof aufbauen wollte nach 1989 hingegen keiner der Ex-LPGer in Dürrenhofe, obwohl sich viele Familienbetriebe bis weit in die 60er-Jahre gegen die Kollektivierung gewehrt hatten. Heute verpachten die Leute das Land lieber an die Genossenschaft. Uwe Schiban weiß, warum: In der Nachbarschaft gibt es drei Wiedereinrichter, die viel Geld in eigene Maschinen gesteckt haben. Nun müssen sie die Schulden abarbeiten, obwohl sie längst im Rentenalter sind.

Auch Uwe Schiban regiert lieber eine Genossenschaft. Herr im Haus ist er auch hier. Man müsse als Vorstand schnell reagieren können, wenn Sonnenblumen rentabler sind als Roggen, begründet er, warum Rosalie Schönfeld und er wenig von Diskussionen halten. „Wenn das ein halbes Jahr kreuz und quer geht, dann ist es schon wieder vorbei.“ Beim Milchvieh zum Beispiel – davon ist Schiban überzeugt –, da zählt nur die Masse. Mehr als 700 Kühe stehen im Stall; zwei Mann melken pro Stunde 100 Tiere. „So muss man wirtschaften“, erklärt Uwe Schiban, „wie in Amerika.“ Eigentlich sollte jetzt wohl auf dem Gemälde vor Schibans Büro eine neue Szene auftauchen, bei der die Sonne durch die Wolken bricht. Schiban lacht bei der Vorstellung – und widerspricht nicht.