Platz da, Zivilistchen!

Jeder bekommt den Wagen, den er verdient: Für den kriegserprobten US-Geländewagen „Hummer“ hat der Autoverleiher „Sixt“ eine besonders geschmackvolle Werbung in Auftrag gegeben

AUS MÜNCHENJÖRG SCHALLENBERG

Es gibt Produkte, für die braucht man einfach keine Werbekampagne mehr zu inszenieren: den US-Geländewagen „Hummer“ zum Beispiel. Mit dem ist die US-Armee unter dem Befehl der Präsidenten Bush senior und junior gleich zweimal derart werbewirksam quer durch die Wüste in den Irak einmarschiert, dass so ziemlich jeder, der zu Kriegszeiten mal einen Blick auf den Fernseher geworfen hat, das klobige, drei Tonnen schwere Ungetüm kennt. Freilich in der militärischen Ausführung, dem „Humvee“, (eigentlich HMMWV, kurz für „High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle“), sandfarben lackiert, gepanzert und meist mit einem Maschinengewehr als Bordbewaffnung versehen. Wegen des großen Erfolges, gerade im Ausland, brachte der Hersteller General Motors vor ein paar Jahren auch eine zivile Version auf den Markt, deren erstes Exemplar der Werbe-Legende zufolge der einstige Terminator und zukünftige Präsident der USA, Arnold Schwarzenegger, ergatterte. Seitdem ist der „Hummer“ natürlich auch in Deutschland absolut hip – also zumindest in jenen Kreisen, in denen sich extrem hohes Einkommen auf wundersame Weise mit extrem schlechtem Geschmack verbindet.

Weil selbst bei dieser Klientel in der Garage neben dem Dritt-BMW und dem Audi TT für die Tochter wenig Platz bleibt für ein fast fünf Meter langes und über zwei Meter breites Monstrum, hat dankenswerterweise der Autoverleiher Sixt den wüstenkriegserprobten Geländewagen vor ein paar Wochen in seine Flotte aufgenommen, zum Mietpreis von 299 oder 349 Euro. Am Tag. Allerdings gilt dieses Angebot nicht überall, sondern nur in den Städten Düsseldorf und München, in denen traditionell besonders viele Einwohner die notwendigen Kriterien in Sachen Einkommen und Geschmack erfüllen.

Trotzdem hat Sixt zur Sicherheit doch noch eine Werbekampagne aufgelegt – die auf bewährte Eigenschaften setzt. Geht man also in diesen Tagen am Münchner Flughafen vom Terminal 2 herüber ins Zentralgebäude, dann fällt einem plötzlich ein durchsichtiger, riesiger Würfel auf, in dem er leibhaftig steht: der „Hummer“! Selbstverständlich steht er nicht nur einfach so da. Er thront. Und zwar auf ein paar sorgfältig zerquetschten Kleinwagen, die man, so soll es die Botschaft wohl suggerieren, auf chronisch überlasteten Großstadtstraßen mal locker aus dem Weg räumen kann.

Allerdings erinnern die zerdengelten Wagen älteren Baujahrs so gar nicht an das typische Straßenbild in München oder Düsseldorf, sondern eher – mal überlegen, genau: an diese Armada gebrauchter, kleiner VW, Ford oder Opel, die man von Fernsehbildern aus dem Irak kennt. In denen gern mal potenzielle Attentäter oder Kleinfamilien an Kontrollpunkten zusammengeschossen werden. Vielleicht nagelt dann noch ein Panzer drüber. Oder ein „Hummer“. Wow – was für ein gewagter assoziativer Brückenschlag.

Silvia Conesa, die für die PR-Arbeit von Sixt zuständig ist, sieht das allerdings weniger eng. Die Werbung sei natürlich nicht so ernst gemeint und müsse mit einem Augenzwinkern betrachtet werden. Zwar sei es immer etwas problematisch, wenn „ein Produkt einen militärischen Hintergrund“ hat, aber generell versteht man den „Hummer“ bei Sixt als ein „Spaßauto mit hohem Kultfaktor“. Es ist, sagt Conesa, „eben ein sehr großer Jeep, der zurzeit voll im Trend liegt. Er wird von den Kunden auch sehr gut gebucht.“ Der Werbewürfel am Münchner Flughafen sei eine sehr spezielle Aktion, „weil es, soweit ich weiß, nur ein Fahrzeug gibt, das für solche Zwecke zur Verfügung steht“.

Allerdings verschickt die zuständige Werbeagentur Jung von Matt auf Anfragen nach einer „Hummer“-Kampagne auch Fotos vom Münchner Flughafen, die als Vorlage für Anzeigen in Printmedien dienen. Auch Volker Nickel, Sprecher des Deutschen Werberates in Berlin, hat sich eines der Fotos angesehen und findet, „dass man über diese Form des werbenden Angebots ein Fragezeichen setzen muss“. Ein Motiv, das vermittelt, „dass der eine den anderen platt machen soll, ist doch ziemlich bedenklich. Die Autoindustrie übrigens hat sich verpflichtet, auf Werbung zu verzichten, die an einen unangemessenen Durchsetzungswillen der Verkehrsteilnehmers appelliert.“ Doch das schert den Vermieter Sixt wenig. Immerhin: Einen kriegerischen Bezug sieht Werbeexperte Nickel nicht unmittelbar, „denn dazu müsste der Kunde den militärischen Hintergrund des Autos kennen“.

Dieses Vorwissen darf man angesichts der jahrelangen Präsenz in der Kriegsberichterstattung aber wohl voraussetzen – bei Kunden wie bei Werbern. Wie könnte die Idee hinter der Kampagne dann gelautet haben? „Mit diesem Wagen haben die Amis Saddam verjagt, jetzt macht er Ihnen die Straße frei.“ Hihi, ist das nicht provokant? Wo doch in Nadschaf noch gekämpft wird? Aber nein, keine falsche Bescheidenheit: Das ist selbstverständlich kreative Menschenverachtung auf höchstem Niveau. Respekt.