Grafisches Esperanto

Die Comiczeichner Seyfried & Ziska bieten auf dem tazkongress einen Zeichenkurs und Wettbewerb für Jugendliche bis 18 Jahre an: Der Zeichenkurs findet am Samstag den 18. April von 14 bis 18 Uhr statt. Für den Wettbewerb erwarten wir per sofort eure Comics – die drei Schönsten, Originellsten und Konsequentesten werden von einer Jury prämiert. Thema: Schritt für Schritt ins Paradies oder Hals über Kopf in die Scheiße? Wie seht ihr die Welt von heute? Hat sie eine Zukunft und wenn ja, welche? Im Zeichenkurs werden alle Grundlagen zur Erstellung eines Comics erlernt. Von der Ideenfindung bis hin zur fertigen Reinzeichnung. Auch wer nicht zum Kurs kommt, kann am Wettbewerb teilnehmen. Einsendungen bis zum 15. April an: Redaktion tazkongress, Rudi-Dutschke Str. 23, 10969 Berlin. Stichwort: „Paradies oder Scheiße?“ Bitte keine Originale einsenden!

Die Plattform Pictoplasma zeigt im Haus der Kulturen der Welt Lebenswelten reduzierter Figuren und diskutiert mit den Machern und Gestaltern über deren Icons, Emoticons und Piktogramme

Sie sind überall, lächeln verführerisch von Werbeplakaten, zwinkern in E-Mails und blicken traurig aus Comics. Was, wenn uns die abstrakten Figuren, wie wir sie zuhauf aus Werbung, Popkultur, Gamedesign und Kunst kennen, etwas zu sagen haben? Die Emoticons, Logos, Kult- und Kunstfiguren, Skulpturen, Installationen, Spielzeuge, Roboter und Avatare sind im Einsatz für Kitsch, Kunst, subversiver Street Art genauso wie für konsumförderndes Branding. Durch ihre Abstraktion sprechen sie Betrachter über alle kulturellen Grenzen hinweg emotional an. Character Design nennen das die beiden Kuratoren Peter Thaler und Lars Denicke der Plattform Pictoplasma.

Unsere visuelle Kultur ist von ihnen geprägt, sagen die beiden. „Anfänglich ging es darum, Welten herzustellen, den Figuren Seele einzuhauchen“, sagt Lars. Peter entdeckte diese Welt 1999, als er seinen Job für einen Animationsfilm hinwarf: Enttäuscht von der typischen Animationsästhetik mit populärpsychologischen Figuren saß er ohne Job daheim, langweilte sich und wartete auf seine Midlifecrisis. Just in jenem Moment entdeckte er zu seiner Rettung, wie er einwirft, die Internet-Ikonografie und begann zu recherchieren: „Für mich war das eine unglaubliche Befreiung, zu merken, dass man Figuren machen kann, die eine Härte haben, die etwas transportieren, die einen Stil haben, ohne dass einem die Augen bluten.“ Er schrieb die Macher an, sammelte und begann zu vergleichen, was in Deutschland passiert, in der Schweiz oder in Amerika. Daraus entstand die Idee eines Fundus, der alle Hasen, glücklichen Hunde und verpixelten DJs archiviert.

„Pictoplasma war ein blödes Internetprojekt und ich in meiner Jogginghose“, beschreibt Peter den Anfang des Projekts vor zehn Jahren. Die Figuren, die Peter faszinierten, waren sehr reduziert. Deshalb sprachen damals alle von der Utopie globaler Kommunikation – da wird etwas kommuniziert, das sofort verständlich ist. Noch war die Technik steinzeitlich, die Übertragung eines einzigen Pixels dauerte eine halbe Stunde, lacht Peter. Doch die abstrahierten Figuren gefielen ihm ästhetisch und formal, und er fand sie um einiges mutiger als die ausgearbeiteten Figuren.

Das Design der Figuren, die vorher eher Steckenpferd von Animationsdesignern oder Comiczeichnern waren, begannen plötzlich ganze Heerscharen von Grafikern und Designer zu übernehmen. Diese Öffnung führte zu einer neuen Form- und Bildsprache, und ganze Universen entstanden, mit Familien und Figuren, die keine Biografie haben. „Daraus entwickelte sich eine völlig neue Generation von Figuren, die erstmals nur dazu da waren, zu kommunizieren und nicht eine Geschichte zu erzählen“, ergänzt Lars, der sich von Peters Leidenschaft faszinieren ließ und mit ihm zusammen Pictoplasma gründete.

Der Kulturwissenschaftler schaute über den angesammelten Fundus des Freundes und meinte, man müsse daraus eine Konferenz machen. „Das fand ich dann doch pervers“, erzählt Peter. Doch so kam es, und heute, zehn Jahre später, präsentieren sie kommende Woche im Haus der Kulturen das Festival Pictopia, inklusive Ausstellung, Konferenz und Symposium. Notabene nicht das erste, Pictoplasma organisiert seit 2004 Veranstaltungen, nicht nur in Berlin, sondern auch in New York oder Argentinien. Die Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt – die auch während des tazkongresses vom 17. bis 19. April zu sehen ist – zeigt die Lebenswelten der Figuren und präsentiert Arbeiten internationaler Künstler und Designer, die reduzierte Figürlichkeit als ästhetische Strategie verwenden oder hinterfragen.

Zusammen mit Lars ist das kleine Projekt von Peter zu Pictoplasma geworden, das sich als Plattform versteht und die emotionale Beziehung zwischen den Figuren und Betrachter hinterfragt. Seit nun beinahe einem Jahrzehnt sammeln sie alles rund um das Phänomen des Character Designs und dokumentieren die Entwicklung reduzierter Figürlichkeit. Seither entstanden Bildbände, Installationen, Performances und Ausstellungen zum Thema.

„Wir sind mit Logos aufgewachsen, wir haben diese Logik verinnerlicht“, sagt Lars. Wie ironisch sind denn die Kreaturen, sie sich aus Werbung, Popkultur und Kunst nähren, zu verstehen? „Das Phänomen lebt gar nicht so sehr von Ironie, sondern vielmehr von Pathos. Die Macher haben tatsächlich eine Beziehung zu ihren Figuren, das ist nicht wie ein Auftrag für ein T-Shirt oder sonstiges Commercial“, beschreibt Lars die meist frei entstandenen Arbeiten, die mehr Kür denn Pflicht sind.

Boris Hoppel etwa liebe seinen Bimbo. Die künstlichen Figuren begleiten die Künstler seit zehn Jahre oder länger. „Sie entwickeln ihre Figuren ständig weiter und leben mit ihnen als wären sie Familienmitglieder“, erklärt Peter.

Dafür waren die letzten Jahrzehnte mit rasanten technologischen Entwicklungen gutes Tummelfeld. Denn dahinter steckt die Idee, technologische Entwicklungen anthropomorph zu gestalten, damit sie weniger Angst machen. Abstrakte Objekte, wie etwa ein Roboter, die sich interaktiv verhalten, sind unheimlich. Je figürlicher diese werden, desto empathischer gehen wir mit ihnen um. Von einem sympathischen Roboter lässt man sich wohl im Alter lieber pflegen als von einer kühlen Maschine.

Pictoplasma ist mittlerweile ein Begriff auf der ganzen Welt – wenn auch nur bei wenigen, sagen die beiden Kuratoren. Im Ausland sind sie bekannter als in Deutschland – ein Problem für das Projekt? Nein, es gehe ja um eine weltweite Entwicklung, eine Regionalisierung würde da wenig Sinn machen. Deutschland sei zwar in Bezug auf Character Design kein Entwicklungsland, aber liege auch nicht in ihrem Fokus. Länder wie Frankreich mit ihrer Comickultur oder Amerika mit ihrer Logokultur seien da viel interessanter.

Das Festival wird am 19. März 2009 im Haus der Kulturen der Welt eröffnet, die Ausstellung dauert bis zum 3. Mai, das Symposium findet vom 19. bis 21. März im Auditorium statt. Ab dem 17. März gibt es einen Character Walk in Berlin Mitte durch Galerien und Projekträume. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (Deutsch/Englisch). Mehr zu Pictoplasma unter pictoplasma.com.

In jeder Sprache wird der Begriff Pictoplasma anders ausgesprochen, genauso wie länderabhängig andere Erwartungen dominieren. Wenn er etwa in Amerika wage, zu sagen, dass er wenig begeistert von Animation sei und als populärpsychologischen Designquatsch empfinde, dann beleidige er ihre Kultur, meint Peter. Dann wäre Mickey Mouse plötzlich nichts mehr wert.

Obwohl der Kern des Projekts nicht einfach zu erklären ist, sich weder auf Animation noch auf Street Art oder auf Comic beschränke, identifizieren sich dafür viele Seelen mit dem Projekt. Mit dem Festival erfüllen sich die Kuratoren einen lang gehegten Wunsch: Denn zuerst war da das typografische Verständnis, die Fantasie einer Weltsprache. Danach die Idee, das grafische Verständnis auf die Welt zu übertragen: die Verkörperung der Figuren, der Augenkontakt. Jetzt, mit Pictopia, soll man zu den Figuren, in den Raum, hingehen. Das klingt wie Secondlife in echt.

GINA BUCHER