„Archäologen“ vertreiben Palästinenser

Jerusalems Stadtverwaltung will ein palästinensisches Viertel abreißen, um in der Stadt des biblischen Königs David einen „archäologischen Park“ zu errichten. Dahinter verbirgt sich ein expansives Projekt einer dubiosen rechten jüdischen Stiftung

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Der 38-jährige Abed Schaludi würde nirgendwo anders auf der Welt leben wollen als im palästinensischen Bezirk Silwan, der unmittelbar an die Mauern der heiligen Stadt grenzt. Nur einige hundert Meter von der jüdischen Klagemauer und dem muslimischen Tempeldom entfernt liegt das Haus seiner Eltern, in dem er bis heute lebt. Nun ist es vom Abriss bedroht. Die Stadtverwaltung will in seinem Viertel al-Bustan archäologische Ausgrabungen vornehmen. 88 Häuser sind von dem Plan betroffen.

Abed erhielt wie die meisten seiner Nachbarn schon vor vier Jahren einen Räumungsbefehl. 1.500 Menschen leben in al-Bustan. Sie gründeten die Gruppe „Bustan 88“ und erreichten zunächst einen Aufschub, um einen alternativen Bauplan zu entwickeln, den die Stadt dann ablehnte. Vor drei Monaten war der erste Abriss. Das zweite Haus fiel Anfang März den Bulldozern zum Opfer. Die Familie Abbasi musste zusehen, wie Polizisten ihre Sachen aus dem Haus räumten. Der 40-jährige Familienvater Machmud hatte all seine Ersparnisse in das Haus gesteckt, das er auf einem Grundstück seines Großvaters baute, allerdings ohne die notwendigen Papiere. Abassis Antrag auf eine Baugenehmigung war wie viele andere abgelehnt worden. Er baute trotzdem, hoffte, dass es irgendwie gutgehen würde. Jetzt muss er die Kosten für Abriss und Räumung sowie eine Strafe zahlen, zusammen umgerechnet rund 30.000 Euro. Viele vom Abriss bedrohte Gebäude sind „15, 20, manche sogar über 70 Jahre alt“, sagt Abed.

Das Emek Hamelech (Hebräisch: Tal des Königs), unter diesem Namen läuft al-Bustan in der Stadtverwaltung, ist nach offizieller Lesart von „außerordentlicher Bedeutung für mehr als 3 Milliarden Gläubige auf der ganzen Welt und deshalb auch Anlaufpunkt für Touristen“. Laut Erklärung des Rathauses ist die Region nicht für neue Wohnprojekte bestimmt, sondern „für die öffentliche Erholung“. Genau hier nämlich liege die über 3.000 Jahre alte Stadt des biblischen König David.

Die Initiative „Ir David“ (Hebräisch: Stadt Davids) will die alten Steine bewahren. Ein edler Plan, wären da nicht die palästinensischen Anwohner. Gründer ist David Be’eri oder auch „David’le“, wie er auf der Webseite der „Ir David Foundation“ genannt wird. Der Exkommandant einer geheimen militärischen Sondertruppe widmet sich seit den 80er-Jahren der „Entwicklung der Stadt Davids“. Frühere Ausgrabungen sind in einem städtischen Nationalpark zu sehen, für den David’le ehrgeizige Pläne hat. Der heute schon 50 Hektar große Park soll größer werden. Sollte er bis al-Bustan reichen, würde seine Fläche mindestens verfünffacht.

Be’eri gründete eine zweite Organisation. Ist die „Ir David Foundation“ eher für das Marketing zuständig, so aquiriert der Verband „Elad“ Spenden. Die Ausgrabungen müssen finanziert werden wie auch der Kauf palästinensischer Häuser bevorzugt aus privater Hand derer, die Palästinensern als Kollaborateure gelten. „Elad“ managt heute im Auftrag der Stadt den Nationalpark „Ir David“. Die staatliche „Antiquitätenbehörde“ genießt finanzielle Unterstützung ihrer Archäologen durch „Elad“. Umgekehrt übergab die Verwaltungsbehörde für staatliches Land „in einem Prozess, der nicht öffentlich gemacht wurde“, wie die liberale Ha’aretz schrieb, „Land an ‚Elad‘ “. Dem Blatt zufolge plant die „rechte ‚Elad‘-Vereinigung zehn Wohnungen, einen Kindergarten, Klassenräume, eine Bibliothek und unterirdische Parkplätze für 100 Autos“.

Al-Bustan ist nur die Spitze des Eisbergs. Mit Hilfe internationaler Spenden wird die Besiedlung Silwans südlich der Altstadt vorangetrieben. „1991 begannen die ersten jüdische Bewohner mit der Ansiedlung in der Stadt Davids“, heißt es stolz auf der Webseite. „Heute blüht und gedeiht die jüdische Gemeinde in der Region.“ Direkt neben al-Bustan errichteten jüdische Siedler ein Mehrfamilienhaus. Entlang der gesamten sieben Stockwerke weht provokativ eine riesige blauweiße Flagge. „Das Haus wurde vor fünf Jahren illegal errichtet und müsste auf richterlichen Beschluss abgerissen werden“, sagt Abed. Dass es je dazu kommt, glaubt er nicht. „Wenn ich baue, wird abgerissen. Wenn Siedler bauen, bleibt das Haus stehen.“