Der Wiesn-Wonderbra

Mit neuen High-Tech-Wundern zur normgerechten Figur

Oft ist beim seitlichen Blick in den Spiegel der Bauch derherausragendste Körperteil

Achtung, Männer! Nicht weiterlesen! Dieser Text ist nur für Frauen bestimmt. Hier geht es um den weiblichen Busen, und der gehört – bis auf gewisse Augenblicke – zum internen weiblichen Intimbereich.

Entweder ist der Busen zu klein, oder er ist zu groß: Fast alle Frauen sind mit der Beschaffenheit der eigenen Brust unzufrieden. Oft ist beim seitlichen Blick in den Spiegel der Bauch der herausragendste Körperteil. Dem Jacket, Kleid oder Wickeltop fehlen das „gewisse Etwas“ oder – noch schlimmer – Bikinioberteil und BH sind zur Hälfte hohl und lassen sich eindrücken.

Doch auch im umgekehrten Fall drohen Probleme. Der oberste Blusenknopf lässt sich nur mit Mühe schließen, der Busen stört beim Sport oder ist lästiger Attraktionspunkt männlicher Blicke.

Die Normen für die so genannte Idealfigur sind hart und schlagen sich ebenso rigide in den Maßvorgaben der internationalen Konfektionstabellen nieder. Davon profitiert nicht nur die Schönheitschirurgie. Auch die Dessousindustrie bietet eine ganze Palette verschiedener BH-Modelle mit immer ausgefeilteren wäschetechnischen Tricks und Features, die dazu dienen, der Traumfigur einen Schritt näher zu kommen.

Eine bewährte Methode, ein paar Wunschzentimeter mehr herbeizuzaubern, ist der „Push-up“. Damit werden die Brüste aufgepolstert und mehr oder weniger dezent nach oben gedrückt. Der Klassiker „Wonderbra“ wurde bereits in den 60er-Jahren von Playtex erfunden und erlebte seit den 90ern einen erneuten Boom.

Inzwischen ist sogar ein variabler Brustumfang möglich. Beim Wonderbra „Zoom“ lässt sich der Push-up-Effekt auf Wunsch regulieren: Zieht man vorn an Bändern, wird das Dekolleté vergrößert – bis hin zum wiesntauglichen Superdekolleté. Noch raffinierter ist das Modell „Air Bra“ von AbrcadaBra. In den Körbchen verstecken sich aufblasbare Luftkissen. Je nach Anlass und Situation kann nachgepumpt bzw. Luft abgelassen werden. Die dazu gehörende kleine Pumpe lässt sich bequem in der Handtasche aufbewahren – am besten zusammen mit Fahrradflickzeug für eine mögliche Kissenpanne.

Die Materialvielfalt ist grenzenlos. Beim „Water Bra“ sind die Polster mit Wasser-Öl-Gemisch gefüllt, beim „Liquid Push-up“ mit Vaseline und Öl. Aufpolsternde Mogelpäckchen gibt es auch separat, und natürlich dürfen die unvermeidlichen Silikonkissen nicht fehlen. Sie werden jedoch nicht subkutan getragen, sondern ins Körbchen, den Badeanzug oder den Bikini gesteckt.

Der Höhepunkt der Pusherei mittels luftiger und liquider Polster scheint indes überschritten zu sein. Der Gossard Ultrabra „Airotic“, der bei den Lingerie Awards 2001 zum besten „Cleavage Enhancing Bra“ gewählt wurde, wird nicht mehr produziert. Gleiches gilt für den „Aquapad Bra“ von Schiesser und den Maidenform „Liquid Curves“. Offenbar ließen die aero- und aquadynamischen Eigenschaften dieser Modelle zu wünschen übrig. Im Trend sind nach wie vor feste und herausnehmbare Stoffpolster, Halbpolster, Bügel-BHs, Soft-Cups sowie durchsichtige Plastikträger und -bänder hinten. „Tschuldigung, Sie haben Tesafilm auf der Schulter“ – so kommentierte kürzlich ein Mann den aktuellen Transparenzlook.

Und eine bislang vernachlässigte Zielgruppe wird nun verstärkt entdeckt: Frauen mit üppigeren Formen. Auf der Website des amerikanischen Herstellers Maidenform finden sich zur Zeit mehr Modelle für die volle Figur als „Maximizer“. Und ganz aktuell: Bei Aldi Nord sind gerade Minimizer-BHs für 5,99 Euro im wöchentlichen Angebot. In der Tat sind für gut gebaute Frauen ausschließlich dekorative Modelle nur sehr beschränkt tauglich. Träger in Spaghetti- oder Tagliatellebreite schneiden in die Haut ein, hübsche Spitze ist starr und unflexibel.

Hinzu kommt, dass Kundinnen für größere Cups Strafzoll zahlen müssen. Etliche Markenhersteller verlangen ab Cup-Größe „D“ einen Aufpreis. Besonders absurd ist freilich, dass Preisaufschläge auch bei Modellen anfallen, die sich explizit an die Zielgruppe der Frauen mit etwas mehr Oberweite richten. Beim Minimizer Triumph „Ladyform“ beispielsweise, der die Brust optisch verkleinern soll, macht die Differenz zwischen Größe C und D satte vier Euro aus – ein teures Vergnügen für exakt zwei Zentimeter mehr Umfang.

So bleibt auf der Suche nach volumenstützender und -reduzierender Elastizität nur der Sport- BH als Alternative. Vielleicht kann ein neues Modell da Abhilfe schaffen: Der Triumph „Delia“ verfügt über Mini-Stoßdämpfer, die in den Bügeln eingearbeitet sind und jede Bewegung abfedern sollen. Testreihen mit Radfahrerinnen auf Kopfsteinpflaster stehen allerdings noch aus.

Und hier dürfen Männer wieder mitlesen: Pünktlich zum Oktoberfest wurde das „1. Königlich-Bayerische Wadl-Implantat“ erfunden – ein Schaumstoffkissen, das als Muskelattrappe im Trachtenstrumpf getragen wird, um zünftig-pralle Waden vorzugaukeln. PETRA ZORNEMANN