Ein Wiedersehen in Havanna

Der brasilianische Präsident Lula besucht die kubanische Hauptstadt. Keine öffentliche Kritik an Castro

PORTO ALEGRE taz ■ Die Außenpolitik bleibt das Gebiet, auf dem die brasilianische Regierung ihre größten Erfolgserlebnisse hat: Wenige Tage nach einem selbstbewussten Auftritt auf der UNO-Vollversammlung reiste Präsident Luiz Inácio Lula da Silva für zwei Tage nach Havanna. „Es ist der beste Besuch, den wir je hatten“, sagte Kubas Staatschef Fidel Castro zum Abschluss zufrieden.

Allerdings kam der greise Revolutionsführer nicht ganz auf seine Kosten. Denn Lula nutzte zwar die Visite, um Zeichen gegen die zunehmende Isolierung seines alten Bekannten zu setzen – seit dem ersten Treffen 1980 in Managua war er gut 20 Mal mit Castro zusammengekommen. Doch nach der jüngsten Repressionswelle gegen kubanische DissidentInnen kam Lula unter Druck und signalisierte im Vorfeld des Besuchs, dass eine ursprünglich geplante Massenveranstaltung in Havanna derzeit nicht opportun sei.

Stattdessen traf er kurzfristig Havannas Kardinal Jaime Ortega, der als Mittler zwischen Regierung und Opposition gilt. Anschließend empfing er die Mutter eines Brasilianers, der seit neun Monaten auf Kuba inhaftiert ist. Ihm wird vorgeworfen, er habe fünf Landsleute über Kuba in die USA schleusen wollen. Dieser Fall werde Castro vorgelegt, versicherte der brasilianische Botschafter.

Gegenüber Journalisten gab sich sich Lula wortkarg. „Unsere Gegner kritisieren wir öffentlich“, sagte sein Berater, der Dominikaner und langjährige Castro-Freund Frei Betto. Kritik an ihren Freunden trage die brasilianische Regierung jedoch lieber hinter verschlossenen Türen vor. Bei seinem abschließenden Spitzengespräch mit Castro soll Lula zu einer politischen Öffnung gedrängt haben, will die Zeitung Folha de São Paulo erfahren haben. Ob er jedoch einen weiteren Ausbau der Beziehungen tatsächlich von der Menschenrechtslage abhängig machen will, bleibt Spekulation.

Als größte Volkswirtschaft Lateinamerikas müsse Brasilien gegenüber seinen Partnern großzügig sein, sagte Lula auf einem Treffen mit Studenten. Bei brasilianischen Banken und Unternehmen ist Kuba mit umgerechnet 50 Millionen Euro verschuldet. Ein Teil dieser Summe soll jetzt umgeschuldet werden. Zudem will die Entwicklungsbank BNDES den Bau einer Bioäthanol-Fabrik finanzieren. Schließlich wurden 12 Kooperationsabkommen unterschrieben.

Mit dieser Bilanz braucht Lula in Brasilien kaum mit Kritik zu rechnen. Man habe die bilateralen Beziehungen „entpolitisieren“ wollen, betonte sein außenpolitischer Berater Marco Aurélio García. Ein anderer Delegationsteilnehmer verwies auf die „große sentimentale Komponente“ der Reise. Während der brasilianischen Militärdiktatur (1964 bis 1985) hatten viele von Lulas Parteifreunden in Kuba Solidarität und Unterschlupf gefunden. GERHARD DILGER