Ein undiplomatischer Chefdiplomat

Der niederländische Außenminister Bernard Bot fällt durch klare und wahre Worte auf – auch in Moskau

Bernard Bot hat nur getan, was er oft tut: Er hat die Wahrheit gesagt. Der niederländische Außenminister hat mitgeteilt, dass er nicht über genug Informationen verfügt, um die Geiselnahme in Beslan einzuschätzen: „Wir müssen die Situation erst evaluieren.“

Aber schon dieser schlichte Satz war eine Provokation für die Russen. Präsident Putin toleriert nur Beileidsbekundungen, wie sie Kanzler Schröder brav abliefert. Nun ist der Eklat da.

Bot jedenfalls kann sich bestätigt sehen. In einem Interview charakterisierte er die Niederländer einmal als „sehr direkt“, während alle anderen Europäer „sehr höflich“ seien.

Mit diesen Nationaleigenschaften wusste er schon als oberster niederländischer Diplomat in Brüssel umzugehen, der er von 1992 bis 2002 war: Wenn mal wieder irgend ein Land einen „hoffnungslosen Plan“ ausgeheckt hatte und in der EU alle immer nur höflich nickten, dann legte er „ganz machiavellistisch“ noch weitere Forderungen seitens der Niederlande drauf. „Damit es ein so idiotischer Plan wurde, dass auch die anderen Mitgliedsstaaten sich endlich trauten zu sagen, dass er wirklich idiotisch ist.“

Auf diese Art von Äußerungen reagieren die Niederländer ambivalent. Nicht alle Wähler schätzen oder verstehen Bots Ironie; zudem hält sich der Verdacht, dass Bot in der EU nicht genug durchsetzt für die Niederlande. Und ist er nicht zu willfährig gegenüber den Deutschen?

Schon als scheidender Brüsseler Botschafter hatte Bot seinen Landsleuten den Rat mitgegeben, „sich immer an die Deutschen zu hängen“. Schließlich seien die Niederlande nur eine Mittelmacht, die ungefähr so ernst genommen werde wie „ein Kind von 16 oder 17 mit dem entsprechenden Pubertätsgehabe“.

Bot kennt die Deutschen. Von 1973 bis 1976 arbeitete er in der niederländischen Botschaft in Ostberlin. Es folgten unter anderem Stationen in Ankara, beim Nordatlantischen Rat und bei der EU. Januar 2003 wurde Bot dann regulär mit 65 Jahren pensioniert und es sah so aus, als würde das katholische CDA-Mitglied seine 40-jährige diplomatische Karriere auch als Diplomat beenden. Dass er nie ein politisches Amt bekleidet hatte, brach durchaus mit der Familientradition: Vater Theo hatte in den 60er-Jahren unter anderem als Bildungsminister gedient.

Doch der Ruhestand währte nicht lange: Ein Jahr später wurde Bot doch noch Außenminister, weil Vorgänger Jaap de Hoop Scheffer zum Nato-Generalsekretär aufstieg. Zwar gab es weit jüngere Kandidaten, aber Bot war der einzige, der die europäische Diplomatie kannte. Darauf konnte der 48-jährige CDA-Premier Balkenende nicht verzichten: Selbst EU-unerfahren, muss er momentan den Ratspräsidenten geben.

Diese ehrenvolle Last geben die Niederlande im Dezember wieder ab. Bots Amtszeit dürfte ebenfalls begrenzt sein. Aber die Gewissheit, bald wieder Pensionär zu sein, macht zumindest ein bisschen frei. ULRIKE HERRMANN