Mit Büchern gegen Bomben

Die deutsche Initiative „Bücher für den Irak“ übergibt in Bagdad 11.000 Werke. Auf dem Markt ist vor allem religiöse Literatur zu finden. Schiitische Eiferer haben im Aktionismus gegen die Universitäten nachgelassen

In Ägypten geschrieben, im Libanon gedruckt und im Irak gelesen

AUS BAGDAD INGA ROGG

Dick tropften den Arbeitern die Schweißperlen von der Stirn,die Hemden klebten an ihren Körpern. Bildung ist Schwerstarbeit – diesen Eindruck vermittelten die Arbeiter, die in der vergangenen Woche hunderte Bücherkartons in die Germanistische Fakultät der Bagdad-Universität schleppten.

Die schweißtreibende Aktion bildete den Abschluss der Initiative „Bücher für den Irak“, die vor einem Jahr vom deutschen Außenministerium ins Leben gerufen worden war. Am vergangenen Donnerstag fand dann eine kleine Zeremonie statt, während derer der neu ernannte Botschafter im Irak, Bernd Erbel, der Fakultät 11.000 Bücher aus Deutschland überreichte. Man wolle damit einen Beitrag für den akademischen Neuanfang setzen, sagte Erbel.

Der ist auch dringend nötig. Nach dem Krieg wurden das Institut und seine Bibliothek wie so vieles im Land geplündert, ein Teil fiel den Flammen zum Opfer. Die Spuren der Verwüstung sind allerdings heute so gut wie verschwunden. Die Institutsräume wurden mit hellgelber Ölfarbe gestrichen und einfache Holzbänke hineingestellt. Von der Ausstattung deutscher Sprachinstitute können die Studenten hier aber weiterhin nur träumen.

Wegen der Sommerferien ist der Campus an dem Tag der Bücherübergabe weitgehend verwaist. Aber während des Semesters sind hier fast 400 Studenten anzutreffen. Begierig nutzen diese jede Gelegenheit, sich mit deutschen Muttersprachlern zu unterhalten und dadurch mehr über Deutschland zu erfahren. Dabei benutzten sie bisher einen anrührend antiquierten Wortschatz. Das wird sich nun ändern. Denn ganz oben auf der Wunschliste aus Bagdad standen moderne Sprachlehrbücher. Diese machen jetzt einen Großteil der Spende aus Deutschland aus. Ein weiterer Schwerpunkt der Sammlung liegt auf neuer deutscher Literatur.

Beteiligt haben sich an der Aktion neben dem Goethe Institut, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Frankfurter Buchmesse sowie der Bayerischen Staatsbibliothek auch der World University Service, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und das Deutsche Archäologische Institut.

Ihren Ausgang nahm die Initiative vor einem Jahr an der Frankfurter Buchmesse, als irakische Wissenschaftler erste Kontakte mit deutschen Verlagen und Bildungseinrichtungen aufnahmen. Für den Wiederaufbau der Institutsbibliothek stellte das Auswärtige Amt 200.000 Euro zur Verfügung.

Bücher werden in Ägypten geschrieben, im Libanon gedruckt und im Irak gelesen, sagt man im Zweistromland gern. Auf der Mutannabi-Straße im Herzen von Bagdad, auf der jeden Freitag der Büchermarkt stattfindet, sieht es aber eher trostlos aus. Nach wie vor ist nur wenig Neues zu finden, und bei den rar gesäten Neuerscheinungen handelt es sich vor allem um erbauliche und religiöse Schriften aus den arabischen Nachbarländern – ein schwacher Trost für Bücherliebhaber.

Die Literaten der Stadt behelfen sich weiterhin mit Kopien oder nutzen ihr privates Bibliothekssystem, in dem ein Buch vom einem zum anderen weitergegeben wird. In ihrem Club unweit des im Krieg berühmt gewordenen Palästina-Hotels treffen sie sich jeden Tag zu hitzigen Debatten. Dabei wird auch Alkohol getrunken. Deshalb haben Frauen dort auch keinen Zutritt – man befürchtet, militante Islamisten könnten das als einen Beweis für Prostitution ansehen und den Club kurzerhand in die Luft sprengen. Unter dem Druck der Islamisten haben im vergangenen Semester auch die Universitäten gelitten, als mehrere Institute von schiitischen Militanten besetzt wurden und eine ganze Reihe Professoren von unbekannten Tätern ermordet wurden. Am Eingang zum Campus der Sprachinstitute im Stadtteil Waziriya sind an die Stelle eines Saddam-Porträts Bilder von Persönlichkeiten der schiitischen Sadr-Dynastie angebracht worden. Mittlerweile hätten sich die Eiferer aber beruhigt, versichert der Institutsleiter Fuad Ibrahim Mohammed. In den 60er-Jahren hat er in Leipzig studiert und promoviert. „Wir brauchen Bücher und Bildung, um die Zukunft zu gewinnen“, sagt der 59-Jährige. Deshalb wolle er sich bedanken, insbesondere bei Herrn Doktor Joschka Fischer.

Es waren allerdings nicht nur die Deutschen, denen das Institut am Herzen lag. Im Frühjahr vermittelte ein Kommandeur der in Deutschland stationierten 1. Panzerdivision der US-Army in einer Privataktion eine Bücherspende von Gießen nach Bagdad.