„Dieser Deal ist wahrscheinlich zulässig“

Wenn ein guter Vertrag ausgehandelt wird, hat der Verkauf kartellrechtlich Bestand, sagt Medienforscher Horst Röper

taz: Ist es nicht seltsam, dass der Tagesspiegel an Pierre Gerckens verkauft wird, der dem Holtzbrinck-Konzern sehr nahe steht?

Horst Röper: Ich sehe darin schlicht einen Umgehungstatbestand, der aber wahrscheinlich zulässig ist. Das heißt, Holtzbrinck gibt an einen ehemaligen Mitarbeiter die Zeitung ab und bringt sie dort in eine Warteposition, in der Hoffnung, dass – wenn der Gesetzgeber tatsächlich das Kartellrecht für den Zeitungsmarkt ändert – er demnächst die Zeitung eben selbst wieder übernehmen kann.

Gehen Sie also davon aus, dass das Kartellamt keine andere Wahl hat, als diesen Verkauf zu genehmigen?

Natürlich ist das Bundeskartellamt zuständig und wird diesen Fall prüfen. Aber wenn die beteiligten Seiten sich hier handwerklich nicht dumm anstellen, dann werden sie Verträge abschließen, die mit dem geltenden Kartellrecht übereinstimmen. Allerdings besteht ein Bedarf, solche Schlupflöcher im Kartellrecht zu stopfen.

Worum geht es bei der derzeitigen Diskussion über die Änderung des Kartellrechts?

Es geht darum, das so genannte Aufgreifkriterium zu erhöhen, um Fusionen im kleineren Bereich ohne Prüfung des Kartellamts zuzulassen. Momentan darf das Kartellamt prüfen, wenn der gemeinsame Jahresumsatz der an einer Fusion beteiligten Verlage 25 Millionen Euro oder mehr beträgt. Diesen Prüfvorbehalt will man für einen Teil solcher geplanten Fusionen aufgeben.

Der andere Punkt ist die Akzeptanz solcher Fusionen, wenn redaktionelle Unabhängigkeit garantiert ist. Doch die damit verbundene Loslösung vom außenpluralen hin zum binnenpluralen Modell, das wäre ein kompletter Politikwechsel, der sich sicher nicht so leicht vollziehen lässt.

Halten Sie die Unabhängigkeit der Redaktion überhaupt für überprüfbar?

Das könnte man schon regeln. Aber hier muss zunächst die Frage an den Gesetzgeber ergehen, ob er überhaupt einen Modellwechsel will. So schlecht sind wir ja bisher mit dem Kartellrecht nicht gefahren. Und nur weil ein Konzern in Schwierigkeiten gerät, weil er selbst gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen hat, muss das ja für den Gesetzgeber nicht heißen, alle bisherigen Setzungen über Bord werfen zu müssen.

Wobei sicher noch mehr Verlage eine solche Änderung begrüßen würden?

In der Tat sind vor allem die Großverlage an die Politik herangetreten, aber der konkrete Anlass ist ja momentan der Fall Holtzbrinck. Die Politik ist nun über diese Ministererlaubnis gezwungen worden, sich wieder einmal mit dem Tageszeitungsmarkt zu befassen.

Beugt sich die Politik da nicht dem Druck der Verlage?

Natürlich ist die Initiative von den Verlagen ausgegangen, also ganz konkret vom Springer-Konzern, der eine Novellierung des Kartellrechts eingefordert hatte. Diese Forderung war der Ausgangspunkt der heutigen Diskussion. INTERVIEW: HEIKO DILK