Käufer und Kartelle

Einfache Lösung: Mit dem neuen „Tagesspiegel“-Eigentümer Pierre Gerckens findet Holtzbrinck den Käufer seiner Wahl

von HEIKO DILK

Dieter und Stefan von Holtzbrinck haben sich gestern Morgen von der Redaktion des Tagesspiegels verabschiedet. Denn das Blatt wird nun doch verkauft. Und der Holtzbrinck Verlag kann deshalb endlich davon ausgehen, dass er nun doch die Berliner Zeitung übernehmen darf. Das hatte das Bundeskartellamt nicht erlaubt, und für die von Holtzbrinck beantragte Ministererlaubnis sah es auch nicht gut aus.

Die Ministererlaubnis ist jetzt vom Tisch, und das Kartellamt wird zwar noch mal prüfen müssen, aber der Übernahme dürfte nicht mehr viel im Wege stehen. Denn der Tagesspiegel gehört „baldmöglichst“, wie Holtzbrinck verlauten lässt, Dr. Pierre Gerckens.

Damit bleibt der Tagesspiegel fast in der Familie, denn Gerckens gilt als einer der engsten Vertrauten Dieter von Holtzbrincks. Seit 1968 ist er für den Stuttgarter Verlag tätig und hat als geschäftsführender Gesellschafter Holtzbrincks Verlagsgruppe Handelsblatt entwickelt und für Holtzbrinck den Südkurier in Konstanz saniert. Als Dieter von Holtzbrinck 1970 seinen ersten Job im Familienunternehmen antrat, war das beim Handelsblatt – unter Gerckens’ Führung.

Holtzbrinck hatte im Rahmen des Ministererlaubnisverfahrens immer wieder betont, dass es keinen geeigneten Käufer für den Tagesspiegel gebe. Zwar wollte der Bauer Verlag das Blatt für 20 Millionen Euro übernehmen, Holtzbrinck bezeichnete dieses Angebot jedoch als unseriös. Immer wieder hatten die Stuttgarter auch eine langfristige Bestandsgarantie für den Tagesspiegel gefordert. Davon ist nun keine Rede mehr. Gerckens hat Holtzbrinck jedenfalls keine Bestandsgarantie gegeben, wie Verlagssprecher Andreas Fritzenkötter sagt. Müsse er aber auch nicht, denn die Situation nun sei eine völlig andere, als innerhalb des Ministererlaubnisverfahrens. Tagesspiegel-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo sagte der taz, „der Fortbestand des Tagesspiegel ist laut Herrn Gerckens für die nächsten drei bis fünf Jahre gesichert.“

Doch bei Holtzbrinck hofft man offenbar darauf, dass der Tagesspiegel sich zukünftig etwas besser entwickelt als bisher. Anlass für diese Hoffnung gibt es durchaus. Gerckens kann schließlich als eigenständiger Verleger auftreten. Damit eröffnen sich natürlich ganz andere Kooperationsmöglichkeiten, als Holtzbrinck sie gehabt hätte – auch die Berliner Zeitung kommt sicher als Kooperationspartner in Frage.

Bei der Konkurrenz ist man freilich nicht uneingeschränkt begeistert über die von Holtzbrinck gewählte Konstruktion. Der Bauer Verlag, der den Tagesspiegel kaufen wollte, sieht andere Bieter und das Wirtschaftsministerium von Holtzbrinck „an der Nase herumgeführt“. Verlagssprecher Andreas Fritzenkötter sagte der taz, dass es „bemerkenswert“ sei, dass Holtzbrinck nun an einen so engen Vertrauten verkauft habe.

Und in der Tat liegt der Verdacht nahe, dass Gerckens als eine Art Strohmann fungiert, wie Branchenkenner vermuten. Holtzbrinck-Sprecher Rolf Aschermann bezeichnet das als eine „Unterstellung, die durch nichts gerechtfertigt ist“. Schließlich lege Gerckens mit sofortiger Wirkung alle seine Holtzbrinck-Ämter nieder. Seine Beteiligung an der Handelsblatt-Gruppe habe er schon vor einiger Zeit abgegeben, so Aschermann.

Beim Axel Springer Verlag, der sich (wie auch die taz) gegen eine Ministererlaubnis ausgesprochen hatte, will man sich zu dem Strohmann-Verdacht lieber gar nicht äußern, begrüßt es aber immerhin, dass wenigstens die Ministererlaubnis vom Tisch sei, sagte eine Sprecherin. Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement freut sich, dass er nicht mehr entschieden muss, und geht davon aus, dass Holtzbrinck eine „unternehmerische Lösung“ anstrebe.

Wie lange die allerdings hält, bleibt abzuwarten. Schließlich steht eine Änderung des Pressefusionsrechts an, wie der Bundeskanzler bereits angekündigt hat. Dann könnte sogar die Möglichkeit bestehen, dass Holtzbrinck den Tagesspiegel wieder übernehmen darf (siehe Interview). Mit Gerckens dürften die Holtzbrincks es jedenfalls sehr viel einfacher haben, eine Lösung zu finden.

Tagesspiegel-Chefredakteur di Lorenzo ist jedenfalls erst mal erleichtert über die gefundene Lösung, findet aber, dass „die große Frage“ sei, „wie wir den Fortbestand der Qualittäspresse organisieren. Nur das Postulat der Vielfalt auf dem Medienmarkt ist kurzsichtig, wenn damit nicht auch ein Qualitätsanspruch verbunden ist.“

Ohne Vielfalt sieht es aber wirklich düster aus.