Am Kartellamt vorbei

Verleger wissen um die strukturelle Krise der Zeitung – und hoffen weiter auf die Politik

BERLIN taz ■ Es scheint sich bei Deutschlands Zeitungsverlegern die Erkenntnis durchzusetzen, dass vieles, was den Zeitungen abhanden gekommen ist (vor allem Anzeigen), offenbar doch nicht zurück kommt. Stellte der Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Helmut Heinen, auf dem Zeitungskongress 2002 noch Kostensenkungen in den Mittelpunkt, war es heuer die eigene Lernbereitschaft.

Arthur O. Sulzberger war geladen, der Herausgeber der New York Times (NYT), und der fand durchaus deutliche Worte: Leicht sei es, den „Dotcoms“ die Schuld an der Krise zu geben – oder gar dem „Postamt“. Und dann zeigte er der anwesenden Verlegerschar, wie die NYT erfolgreich ist. Nämlich mit einem kostenlosen und werbefinanzierten Internetauftritt, dem eigenen Fernsehkanal und Kooperationen mit ausländischen Zeitungen.

Das fand auch Holtzbrinck-Geschäftsführer Michael Grabner „imposant“. So würde er wohl auch gerne agieren, allein das Kartellamt lässt es seiner Meinung nach nicht zu. So sagte Grabner, an der Behörde solle die NYT-Gruppe besser „vorbeifliegen“ und nicht „obendrüber“, sonst könne es sein, dass sie „runtergeholt“ werde.

Der Kongress stand natürlich am Dienstag noch unter dem Eindruck des Tagesspiegel-Verkaufes an den guten Vertrauten der Familie Holtzbrinck Pierre Gerckens, der am Montag bekannt wurde. Grabner sprach also über die „Zeitung als Marke“ und über das „Produkt Zeitung“. Und doch immer wieder über das Kartellrecht. Doch die Pressefusionskontrolle wird ja voraussichtlich im Mai 2004 gelockert – natürlich unter Wahrung der Vielfalt.

Wie man die Vielfalt auch ohne Lockerung gefährden kann, hat Holtzbrinck allerdings durch den Verkauf des Tagesspiegels an Gerckens gezeigt. Im Interview mit ebenjener Zeitung sagte er gestern, dass jeder belangt werde, der den Holtzbrinck-Intimus als Strohmann bezeichnet.

Dabei hat Holtzbrinck mit ebendieser Konstruktion gezeigt, dass man offen für kreative Lösungen ist. Auch wenn man sich die eher im Hinblick auf innovative inhaltliche Konzepte wünschen würde. Das würde auch der Glaubwürdigkeit helfen. HEIKO DILK