Glauben Sie an Klinsmann?

Was sich kritische Fußballliebhaber vom neuen Bundestrainer erwarten

Daniel Cohn-Bendit

COHN-BENDIT, 59, ist Europaabgeordneter (Die Grünen) und (noch) Anhänger der französischen Nationalmannschaft.

Was erwarten Sie von Klinsmann?

Da muss man abwarten. Ich bin gespannt, ob er gegen die Verkrustung des deutschen Fußballs angeht. Ein Ausländer als Bundestrainer wäre selbstverständlich am besten gewesen. Aber Klinsi kommt immerhin aus Kalifornien. Wenn wir ihn als Ausländer sehen, können wir Hoffnung haben. Die amerikanische Gesellschaft ist eine Risikogesellschaft. Man geht ein Wagnis ein. Und man muss jetzt in den Spielen bis zur WM auf Risiko gehen. Man wird ja sehen, ob er Leute wie Nowotny rauslässt. Dann könnte es was werden.

Wird er das DFB-Problem mildern?

Die Frage ist, ob er sich vom DFB emanzipiert und das macht, was er will.

Sind wir 2006 für Deutschland?

Das ist schwierig. Es gibt so viele Teams, die vor Deutschland kommen. Aber selbst ich war mal für Deutschland – 1972. Die Linken können Klinsmann nicht für sich gewinnen. Aber er kann uns gewinnen. Wenn er eine Spielweise entwickelt, die uns begeistert.

Sehnlichster Wunsch?

Es ist mir ein ästhetisches Bedürfnis, dass das Ehepaar Mayer-Vorfelder von der Ehrentribüne verbannt wird.

Klaus Theweleit

THEWELEIT, 62, ist Leitfigur der Post-68er und Fußballforscher („Tor zur Welt“).

Was erwarten Sie von Klinsmann?

Warum ist er da? Weil Völler und Hitzfeld sich zu schade waren als Prügelknaben des Boulevards. Zweitens weil Hoeneß & Co die Reißleine zogen, als Matthäus ante portas stand. Wenn Klinsmann über den Marionettenstatus hinauskommt, wenn er sein Programm einer „Offensive mit Risiko“ auch bei Niederlagen durch- und die Bild-Geier sich vom Leibe hält, verdient er unsern Beifall. Die Kicker machen es dann schon.

Wird er das DFB-Problem mildern?

Welches DFB-Problem? Wo Mayer-Vorfelder herrscht, hält es kein Problem lange aus. Aber der dt. Fußball hat Probleme: Magath dürfte bei Bayern genauso kläglich scheitern wie Ailton auf Schalke und Sammer (später) in Stuttgart. MV in der DFB-Zentrale nie.

Sind wir 2006 für Deutschland?

Für die Kicker immer, aus alter Anhänglichkeit. Auch harrt das etwas klägliche 1:0 von 1990 gegen Argentinien, dieser Kohl-Sieg, der historischen Nachbesserung. Und: nicht schon wieder Brazil.

Sehnlichster Wunsch?

Rückkehr zu Luxusproblemen: zwei, drei gleichwertige Spieler für jede Position. Und 2006 der Titel: Nur dann kann MHeinz Budeayer-Vorfelder in Frieden abtreten.

Heinz Bude

BUDE, 49, ist Soziologie-Professor und Autor („Berliner Republik“). Er lehrt in Hamburg und Kassel.

Was erwarten Sie von Klinsmann?

Das wird nichts mit Klinsmann. Jedenfalls kein Aufbruch. Er hat etwas, was wir alle eigentlich nicht mögen. Jedenfalls nicht auch noch im Sport. Dass jemand seine Möglichkeiten wie eine Anlage geschickt einsetzt, optimal verwaltet und gewinnbringend für sich nutzt. Da bleibt kein Rest, keine Reserve und keine Überraschung.

Wird er das DFB-Problem mildern?

Er wird dem DFB schon Zunder machen. Aber er kommt mir vor wie einer, der auf dem zweiten Bildungsweg nach oben gekommen ist und jetzt eine Praxis als HNO-Arzt betreibt mit geschmackvollen Bildern und modernstem Gerät. Das hat alles so etwas Angelesenes, Angelerntes. Das war schon bei seinem Spiel so. Klinsmann kann, was er kann. Darüber hinaus kann man aber nichts erwarten. Schon gar kein Wunder. Aber vielleicht ist das die Situation, in der wir halt sind: Die Genialität fehlt. Vielleicht müssen wir einfach aus dem, was wir können, das Beste machen.

Sehnlichster Wunsch?

Mal wieder ein Außen wie Stan Libuda, der auch an Gott vorbeikommt.

Günther Koch

KOCH, 61, Fußballradioreporter (BR), Lehrer, verzichtete 2003 auf ein Mandat als SPD-Landtagsabgeordneter.

Was erwarten Sie von Klinsmann?

Dass er etwas umkrempelt. Dass muss er auch. Und das tut er, das finde ich gut. Es ist eine sanfte, geschickte Tour, die sich auf Umwegen nach oben arbeitet. Das hat nichts Ideologisches, sondern etwas Fachliches. Und hat auch mit seine Auslandsaufenthalten zu tun, nicht nur in den USA, sondern auch in England. Keine Revolution, Revolution ist ja beim DFB nicht möglich, aber eine sanfte Opposition und dadurch eine Renovierung. Zum Beispiel, dass er nicht mit Bild kungelt – das wird die Welt nicht verändern, aber es ist ein Lichtblick.

Wird er das DFB-Problem mildern?

Dass Klinsmann beim DFB etwas bewegt, eine Öffnung der Strukturen, einen Sinneswandel, eine Demokratisierung – das halte ich fast für wichtiger als sportlichen Erfolg.

Sind wir 2006 für Deutschland?

Wir sind 2006 für Deutschland – vor allem gefordert: als gute Gastgeber …

Sehnlichster Wunsch?

Dass wenigstens ein Cluberer spätestens 2006 ins DFB-Team rutscht. Und dann ähnlich überzeugt wie Philipp Lahm bei der EM 2004.

Nicol Ljubic

LJUBIC, 32, ist Autor („Genosse Nachwuchs“) und SPD-Mitglied.

Was erwarten Sie von Klinsmann?

Dass er der deutschen Mannschaft Spielfreude vermittelt. Spitze-Hacke-Einszweidrei. Ich befürchte allerdings, dass der Stil des deutschen Fußballs nicht besser und schöner wird. Solange im Zusammenhang mit Fußballern in diesem Land immer von deutschen Tugenden gesprochen wird und damit grätschen gemeint ist – wird das nichts.

Wird er das DFB-Problem mildern?

Er wird es mit seiner „convenient“ Art übertünchen. Er verbreitet Optimismus, führt amerikanische Fitnesstrainer ein und Anglizismen – das vermittelt den Eindruck von Modernität. Aber spätestens wenn Mayer-Vorfelder vor die Kameras tritt, ist die Ernüchterung wieder da.

Sind wir 2006 für Deutschland?

Ich finde es blödsinnig, aus Prinzip gegen Deutschland zu sein. Und wenn die Mannschaft endlich mal offensiven, schönen Fußball spielte, wäre ich ihr größter Fan. Falls nicht, bin ich schnell wieder Portugiese.

Sehnlichster Wunsch?

Dass sich der Werder-Block durchsetzt und Deutschland mit Kombinationsfußball zum WM-Titel schießt. Im Finale gegen Brasilien. Zwei Tore Klose, je eins von Borowski, Ernst, Fahrenhorst.