Alitalia will 5.000 Mitarbeiter feuern

Die italienische Fluglinie will mit einem radikalen Sanierungsplan die Pleite abwenden. Die Zeit ist knapp

ROM taz ■ Die italienische Fluglinie Alitalia steht vor der radikalsten Sanierungsaktion in ihrer Geschichte – oder vor dem Aus. Diese Alternative unterbreitete Firmenchef Giancarlo Cimoli den Gewerkschaften in den am Montagabend begonnenen und gestern Nachmittag fortgesetzten Verhandlungen. Cimoli schlug einen Plan vor, der vor allem bittere Pillen für die Beschäftigten bereithält.

Erstens soll das Personal von zur Zeit 21.000 um 5.000 Personen abgebaut werden (500 Piloten, 1.000 Flugbegleiter, 3.500 Bodenpersonal). Zweitens soll die Alitalia in zwei neue Gesellschaften zerlegt werden, die AZ Fly und die AZ Services, der die Bodendienste übertragen werden. Die Perspektive: AZ Services soll mittelfristig abgestoßen werden. Und drittens soll die verbleibende Belegschaft zu neuen, sprich deutlich schlechteren Konditionen arbeiten. Das Bordpersonal soll verringert und seine Einsatzzeit deutlich erhöht werden. Nur so, meint Cimoli, sei der Alitalia ein Schicksal wie der Swissair oder der Sabena zu ersparen, die beide in den letzten Jahren Konkurs hatten anmelden müssen. An ihre Stelle waren deutlich schlankere Nachfolgegesellschaften getreten.

Alitalia ist jedenfalls schwer gebeutelt; 2003 wurden über 500 Millionen Euro Verlust eingeflogen, und in den ersten fünf Monaten dieses Jahres erlebte die Linie auf den Inlandsstrecken einen Einbruch der Passagierzahlen um 11 Prozent. Alitalia hält damit nur noch 43 Prozent am inneritalienischen Markt (gegenüber 66 Prozent im Jahr 2003). Dort spürt sie die harte Konkurrenz der Billig-Airlines.

Cimoli setzte deshalb am Montag den Gewerkschaften die Pistole auf die Brust: Das Geld in den Kassen reiche gerade noch bis Ende September. Und den von Italiens Regierung zugesagten Überbrückungskredit von 400 Millionen Euro könne die (bisher zu 62 Prozent in Staatsbesitz befindliche) Gesellschaft nur nutzen, wenn sie zuvor den Sanierungsplan mit den Gewerkschaften vereinbart habe.

Die Gewerkschaften stehen ihrerseits vor einem kaum lösbaren Dilemma. Die Stimmung in der Belegschaft schwankt zwischen Empörung und Verzweiflung, auch spontane Ausstände in den nächsten Tagen sind nicht ausgeschlossen. Jeder Streik aber würde die Situation der angeschlagenen Fluglinie weiter dramatisch verschlechtern und womöglich geradewegs in den Bankrott führen. Andererseits aber hat keiner der Arbeitnehmervertreter Lust, den radikalen Personalabbau abzusegnen, erst recht nicht, weil bei Alitalia gleich neun Gewerkschaften miteinander konkurrieren.

So signalisierten die Gewerkschaftsvertreter nach dem ersten Gespräch mit der Alitalia-Spitze am Montagabend erst einmal Ablehnung. Sie stoßen sich vor allem daran, dass die Firmenleitung vollkommen offen lässt, wie sie den Stellenabbau abwickeln und sozial abfedern will. Zugleich werfen die Arbeitnehmervertreter dem Management vor, dass es einen Plan mit radikalen Kostensenkungen vorgelegt habe, zum zukünftigen Relaunch der Alitalia aber bisher kein schlüssiges Konzept erarbeitet habe. MICHAEL BRAUN

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