Kein Hinweis auf Brandstiftung

Ermittler halten marode Elektrik für mögliche Brandursache in Weimarer Bibliothek. Landesregierung räumt mangelhaften Feuerschutz des historischen Gebäudes ein

WEIMAR dpa/epd ■ Die Brandkatastrophe in der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek ist möglicherweise durch einen technischen Defekt oder auch fahrlässiges Verhalten ausgelöst worden. „Ein geschmortes Kabel ist nicht auszuschließen“, sagte der Chef der Polizeidirektion Jena, Rüdiger Schrehardt, gestern in Weimar. Der marode Zustand der Elektrik, die zum Teil noch aus DDR-Zeiten stammte, sei eine mögliche Ursache. Ein Gutachten in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt soll die endgültige Ursache zu Tage bringen.

Die Ermittler entdeckten im dritten Stock eine Brandspur, die der Brandherd gewesen sein soll. „Es gibt keinen begründeten Hinweis, dass vorsätzliche Brandstiftung infrage käme“, sagte der Chef der Kriminalpolizei Jena, Rolf Wagner. Die Spezialisten prüfen, warum Spürhunde in der Nähe der Brandspur auf Benzin oder Diesel anschlugen. „Wir schließen nicht aus, dass Kraftstoff ausgetreten ist“, sagte Schrehardt. Das könne durch einen kleinen Bagger oder durch Kettensägen beim Bergen der Decke passiert sein.

Die Rauchmelder haben nach Angaben des Präsidenten der Stiftung Weimarer Klassik, Hellmut Seemann, in der Brandnacht funktioniert. Die Frage sei aber, warum sich das Feuer so schnell ausdehnen konnte. Ob und wie es zu einer Verpuffung gekommen sei, solle noch aufgeklärt werden. Die Sperrung des historischen Gebäudes wird voraussichtlich an diesem Mittwoch aufgehoben. Am Dienstag bargen Helfer noch immer Bücher aus dem Schutt.

Die Zahl der vernichteten Bücher im historischen Bestand wurde unterdessen von 30.000 auf 25.000 nach unten korrigiert. In der oberen Galerie hätten unter dem Schutt noch ungefähr 5.000 Titel gelegen, die restaurierbar seien, hieß es. Die 25.000 vernichteten Bücher stellten etwa zehn Prozent des historischen Bestandes von Büchern aus der Zeit vor 1850 dar.

Insgesamt 50.000 Bücher konnten den Angaben zufolge gerettet werden, davon weisen allerdings 15.000 schwere Wasserschäden auf. Sie wurden zur Restaurierung in das Leipziger Zentrum für Bucherhaltung gebracht. 20.000 Bücher sind feucht und trocknen in dem neuen Weimarer Tiefenmagazin, 15.000 weisen keine Schäden auf.

Die Thüringer Landesregierung räumte erhebliche Brandschutzmängel ein. In dem historischen Bibliotheksgebäude seien in den vergangenen 100 Jahren kaum wesentliche bauliche Veränderungen vorgenommen worden, sagte Kultusminister Jens Goebel (CDU). Dies betreffe auch den Standard der Brandschutzvorkehrungen.

Bundespräsident Horst Köhler hat nach Angaben der Thüringer Staatskanzlei die Schirmherrschaft über eine Spendenaktion zur Rettung der Anna-Amalia-Bibliothek übernommen. Die stark beschädigte Bibliothek, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, soll mit Bundes- und Landesmitteln wieder erstehen. Die Soforthilfe des Bundes von vier Millionen Euro werde unter anderem dafür genutzt, um einige tausend durch Rauch und Löschwasser geschädigte historische Bücher zu erhalten. Die Kosten beliefen sich auf bis zu 1.000 Euro pro Band.