Mutterschutz sicher, Tabaksteuer nicht

Finanzminister Eichel will Tabaksteuer überarbeiten – aber nicht sofort. Der Sozialministerin Ulla Schmidt muss er ihre Familienpolitik auf jeden Fall bezahlen. Tabaklobby arbeitet „auf Hochtouren“, um Steuererhöhung rückgängig zu machen

VON ULRIKE WINKELMANN

Das Gesundheitsministerium weiß von nichts. „Für uns gilt das Gesetz“, flötet die Sprecherin der Ministerin Ulla Schmidt. Natürlich werde Schmidt, ganz gemäß der Gesundheitsreform, ihre Milliarden von Finanzminister Hans Eichel bekommen, um die familienpolitischen Leistungen wie Mutterschutz zu bezahlen. Eine Milliarde Euro ist für dieses Jahr eingeplant, 2,5 Milliarden fürs nächste Jahr, ab 2006 jährlich 4,2 Milliarden.

Doch die Finanz- und Haushaltspolitiker, die dieses Geld für Ulla Schmidt auftreiben sollen, haben Alarm geschlagen: Die Tabaksteuer, mit der die Familienpolitik bezahlt werden sollte, fließt nicht wie erwartet. Die mit der Gesundheitsreform verhandelte Erhöhung der Tabaksteuer in drei Schritten um je 1,2 Cent pro Zigarette hat zunächst einmal dazu geführt, dass nicht mehr, sondern weniger Geld da ist. Die Tabaksteuereinnahmen im ersten Halbjahr 2004 lagen fünf Prozent unter denen des ersten Halbjahres 2003. Deshalb, forderte etwa die grüne Haushälterin Antje Hermenau, müssten die nächsten beiden Erhöhungsschritte im Dezember 2004 und September 2005 ausgesetzt werden. Auch SPD-Politiker forderten, die ganze Tabaksteuererhöhung zu überarbeiten.

Nun erklärte Hans Eichel gestern bereits: „Ich rate von allen hektischen Veränderungen ausdrücklich ab.“ Was aber weniger hektische Veränderungen ausdrücklich nicht ausschließt: Der Haushaltsausschuss solle wie vorgesehen „ergebnisoffen“ über mögliche Konsequenzen für das nächste Jahr beraten, sagte Eichel zum Auftakt der Haushaltsdebatte im Bundestag.

Der Finanzminister muss jedoch als Erstes überlegen, woher er das Geld für Ulla Schmidt bekommt. Deren Sprecher erinnerte gestern an eine bereits bekannte Forderung der Gesundheitspolitiker, den Losetabak ebenfalls zu verteuern. Dieser war aus nicht ganz logischen Gründen von der Steuererhöhung ausgenommen worden. „Dies ist eine Steuerlücke, die man schließen kann“, sagte der Ministeriumssprecher.

Auch im Haushaltsausschuss gibt es nüchternere Stimmen. Erstens, sagte eine Expertin, sei die erste Erhöhung erst im März in Kraft getreten. Dass die Raucher vorher bunkern und es nachher noch lange Zigaretten zum alten Preis gibt, sei bekannt. „Es ist eigentlich noch viel zu früh, jetzt schon Aussagen über die Auswirkungen der Erhöhung zu treffen.“ Zweitens nutze die Tabaklobby nun die Gelegenheit, „Studien“ über die Zunahme von Schmuggel zu produzieren und damit die Politik unter Druck zu setzen.

Das Interesse der Tabaklobby ist durchsichtig. Wenn der Nachweis gelingt, dass die Leute nicht etwa weniger rauchen, sondern bloß mehr schmuggeln, erübrigt sich auch der gesundheitspolitische Sinn einer Steuererhöhung. Mit einem Verzicht darauf würden wiederum Einnahmen gesichert – und so gesehen hat die Industrie das gleiche Interesse wie Eichel. „Der Lobbyapparat läuft auf Hochtouren, aber unabhängige Erkenntnisse haben wir nicht“, so die Expertin.