Das Arbeitsamts-Roulette

Meint das Arbeitsamt, es gebe genug deutsche Arbeitslose, dann bekommen Flüchtlinge keine Arbeitserlaubnis. Egal, ob sich wirklich jemand findet

Die Schizophrenie: Wer geduldet wird, soll sich trotzdem integrieren – das schließt sich meistens aus

von HEIDE OESTREICH

Drei Monate lang war Frau K. „integriert“. Als Ausweis der Integration gilt deutschen Behörden vor allem, dass man dem Staat nicht auf der Tasche liegt, also eine Arbeitsstelle hat. Drei Monate arbeitete die Krankengymnastin in einem Reha-Zentrum in Berlin. Doch dann wurde die Arbeitserlaubnis nicht verlängert. Ende der Integration.

Frau K. ist hier nämlich nur „geduldet“. Als Roma floh sie vor dem Krieg aus Serbien. Zusammen mit ihrem Mann und vier Kindern lebt sie seit 10 Jahren in Berlin. Eine Tochter hat Epilepsie, ihr Mann Diabetes. Dass Medikamente für beide Krankheiten in Serbien auch heute noch kaum zu bekommen sind, gilt als Abschiebehindernis.

In der langen Zeit hat Frau K. das Ausländerrecht gut kennen gelernt. Geduldete dürfen ebenso wie Asylbewerber nach einem Jahr Wartezeit in Deutschland arbeiten – wenn sich durch ihre Beschäftigung „nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nicht ergeben“, wie es so schön im zugehörigen Gesetz heißt, dem Sozialgesetzbuch III, Paragraf 285. Wer zwei Jahre lang als Geduldete in den Arbeitsmarkt integriert war, der hat zumindest theoretisch die Chance, sich damit eine „Aufenthaltsbefugnis“ zu erarbeiten. Befugnis, Erlaubnis, Berechtigung, so lauten die Stufen für diejenigen, die in Deutschland bleiben wollen oder müssen. Je besser der Status, desto geringer die Gefahr, abgeschoben zu werden.

Frau K. hat kaum Aussicht, demnächst nach Serbien zurückzukehren. Ihre Töchter haben in Deutschland die Schule besucht, sie gehören mehr hierhin als nach Serbien. Das Kunststück heißt nun: „Geduldet“ sein und sich trotzdem „integrieren“. Das schließt sich aber tendenziell aus, wie Frau K. erfahren musste. Denn einerseits soll sie nichts kosten. Und andererseits darf sie auf dem Arbeitsmarkt keine Konkurrenz sein.

Wenn eine geduldete Person arbeiten möchte, macht das Arbeitsamt erst einmal eine „Vorrangprüfung“: Hat sie – wie Frau K. – eine Arbeitsstelle aufgetan, guckt das Amt mindestens vier Wochen lang, ob sich nicht doch eine deutsche Krankengymnastin findet. Oder eine EU-Ausländerin. Oder eine anerkannte Asylberechtigte. In der Zeit haben viele Arbeitgeber ihre Stelle tatsächlich mit einer anderen Bewerberin besetzt. Bei Frau K. hatte das Amt nach drei Monaten den Eindruck, dass es doch recht viele arbeitslose deutsche Krankengymnastinnen gebe. Pech, sagt das Amt.

Für Frau K. ist das eine Katastrophe. Keine Arbeit, das heißt: kaum eigenes Geld. Geduldete bekommen „Sachleistungen“: Gutscheine für Warenhäuser oder Esspakete. Keine Arbeit heißt vor allem: keine Chance auf Statusverbesserung. Ein Teufelskreis. Der auch Frau K.s Töchter ereilt. Sie haben einen Hauptschulabschluss, dürfen aber als Geduldete keine Ausbildung anfangen. Eine Arbeitserlaubnis bekommen sie auch nicht. Wie sie es auch macht, Familie K. kann sich nicht integrieren.

Mit dem Zuwanderungsgesetz sollte sich diese Schizophrenie ändern. Der Status „Duldung“, den etwa 250.000 Menschen in Deutschland innehaben, soll verschwinden, stattdessen soll es schlicht heißen: Erlaubnis oder Abschiebung. Der Haken: Ob jemandem „rechtliche oder tatsächliche“ Gründe zum Bleiben zugestanden werden oder ob das Abschiebehindernis „selbst zu vertreten“ ist und man deshalb gehen muss, liegt im Ermessen der Ausländerbehörde.

Frau K. könnte, wenn das Zuwanderungsgesetz in Kraft treten sollte, Glück haben und eine Erlaubnis bekommen. Die schwer zu bekommenden Medikamente könnten als tatsächliches Abschiebehindernis gewertet werden. Arm dran wäre jemand, dem das Amt etwa nicht glaubt, dass er traumatisiert ist. Oder auch derjenige, der seinen Pass wirklich verloren hat, obwohl das Amt meint, er habe ihn verschwinden lassen, damit man ihn nicht abschieben kann.

Falls man nach dem Ermessen der Behörde auf der falschen Seite landet, kann man nicht mehr wie bisher hoffen, nach einem Jahr doch noch einen Job zu bekommen. Wer keine Aufenthaltserlaubnis ergattert, darf nicht arbeiten. So sieht es das Zuwanderungsgesetz vor. Der Status dieser Menschen verschlechtert sich durch das Gesetz, kritisieren Flüchtlingsorganisationen.

Aber auch Frau K. würde es trotz ihres neuen Status nicht viel besser gehen. Die Vorrangregelung, die ihre Stellensuche zum Roulette macht, soll selbstverständlich bestehen bleiben.